Wann ist der richtige Zeitpunkt, um in ein nächstgrößeres Kindersitzsystem zu wechseln?
Erst dann, wenn:
- die Größendimensionen der jetzig verwendeten Sitzschale nicht mehr für das Kind passen.
- die darin integrierten Hosenträgergurte sich nicht mehr weiter ausfahren lassen.
- in Fahrtrichtung, mehr als der Scheitel des Kindes über den oberen Schalenrand hinausreicht.
Die meisten Kinder sind da, zwischen dreieinhalb und vier Jahren alt und zumeist um die 17 kg schwer.
Ab jetzt mit dem Fahrzeuggurt gesichert
Der wesentliche Unterschied zu allen früheren Schutzsystemen ist, dass ab nun der Fahrzeuggurt das Kind zurückhält. Das gilt es zu bedenken: Der fahrzeugeigene Gurt wurde für Erwachsene bzw. größere Körper entwickelt. Die wesentliche Aufgabe des „Kindersitzsystems für Große“ besteht nun darin, das Kind in eine günstige Sitzposition für den Gurt zu bringen. Damit dieser im Ernstfall, das Kind auch dort auffängt, wo er sollte.
Wie gefährlich ist Submarining?
Im Bereich des Beckens sind hier die sogenannten Beckengurtführungen – umgangssprachlich „Gurthaken“ genannt – wichtig. Sie führen den Beckengurt sauber über die Oberschenkelansätze und damit vor das kindliche Becken. Dadurch wird sichergestellt, dass der Beckengurt bei einer Kollision nicht nach oben, in den weichen Bauchraum, abgleiten kann. Dieses „submarining“ würde im Moment des Aufpralls zu schwersten inneren Verletzungen führen. Achtung: Bei einem Frontalcrash kann ein Mensch binnen Zehntelsekunden das 30-fache an Körpergewicht entwickeln. Liegt der Gurt ihres Kindes nicht dort an, wo er hingehört, kann das fatale Folgen haben. Nur richtiges Sichern, schützt!
Eine Rückenlehne ist doch nur was für „Babys“?
Nein, ist sie nicht. Es spricht sehr viel für die fortlaufende Verwendung von einem Kindersitz mit Rückenlehne:
- Die in der Rückenlehne integrierte Gurtklammer ermöglicht eine saubere Schultergurtführung.
- Gemeinsam mit den seitlichen Stützen an der Rückenlehne wird so verhindert, dass selbst ein schlafendes Kind, auch bei einer plötzlichen Rotation (z.B. Ausweichmanöver), aus dem Schultergurt rutscht.
- Die Seitenwangen der Rückenlehne dämpfen – ähnlich eines Radhelmes – die Aufprallwucht für Kopf und Schulter, bei seitlichen Kollisionen.
Wie lange muss die Sitzerhöhung verwendet werden?
Die gesetzliche Mindestsicherungspflicht wurde mit März 2019 auf 135 cm herabgesetzt. Unter anderem, weil in einigen modernen Fahrzeugkonzepten die Nutzung einer speziellen Kinderschutzeinrichtung bis 150 cm technisch gar nicht möglich ist.
Der Gesetzgeber hat aber keinesfalls verboten, das eigene Kind bestmöglich zu schützen. Und bestmöglich bedeutet in den meisten Fällen immer noch: So lange wie möglich ein Sitzkissen mit Rückenlehne zu verwenden.
AUVA-CoPilotenTraining: Sicherheitsbewusstsein für Groß und Klein
Mit zunehmendem Alter, etwa ab dem 8. Lebensjahr, nimmt auch die Bereitschaft der Kinder ein Schutzsystem zu verwenden deutlich ab. Diese „Ablehnung“, obwohl das Kind noch locker in den Sitz passt, hängt stark mit dem Peer-Verhalten in der Schule zusammen. Hier wird ja unter den SchülerInnen nicht nur heiß diskutiert, wer welchen Film schon sehen oder wie lange jemand aufbleiben durfte, sondern auch, wer denn noch in einem „Babysitz“ sitzen muss. Und so kommt von der Rückbank nicht nur immer der Anspruch vorne sitzen zu dürfen, sondern auch endlich auf diesen d…pp…ten Kindersitz verzichten zu können. Man sei ja schon groß.
Immer richtig sichern: Warum, Wie, Wer?
Verantwortlich für die korrekte Kindersicherung im Auto ist aber der/die Erwachsene am Steuer! Um die Eltern in ihrer Vorbildfunktion zu stärken und im Sinne einer Elternfortbildung, hat die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) 2009 eine Verkehrssicherheitskampagne initiiert. Seither wird das AUVA-CoPilotenTraining bundesweit an österreichischen Volksschulen durchgeführt. In einem erlebnispädagogischen Rahmen wird den Kindern – sowie den Eltern im Publikum – alles rund um das richtige Sichern im Auto nähergebracht. Weitere Informationen finden Sie unter www.copilotentraining.info
Ein Satz, der nur schwer wieder aus dem Kopf geht: „Wenn du heute brav bist, darfst du ohne Kindersitz mitfahren“
Leider kommen auch 25 Jahre nach Einführung der Kindersicherungspflicht immer noch die meisten Kinder als Mitfahrende – im zumeist elterlichen – PKW zu Schaden. Dabei spielen Nachlässigkeiten bei der Kindersicherung, auch bei größeren Kindern, eine große Rolle. Das sicherheitstechnisch hochwertigste Fahrzeug und der teuerste Kindersitz nutzen wenig, wenn sie falsch oder nachlässig verwendet werden. So sind, zum Beispiel vor Kindergärten und Schulen, tagtäglich haarsträubende Sicherungsfehler zu beobachten, die möglicherweise mehrheitlich auf ein in der Öffentlichkeit bestehendes Informationsdefizit bei den Eltern zurückzuführen sind.
Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht
Gerade ab dem Kindergarten/der Schule werden sogenannte Gefälligkeitsfahrten immer häufiger. Omas und Opas nehmen die Kinder mit zu Ausflügen, Eltern von KlassenkollegInnen laden zum Geburtstag ein oder Vereine bieten Tages- oder Wochenausflüge an. Und gerade hier, kommt es zu unglaublichen Nachlässigkeiten. In dem Bedürfnis Wegstrecken und Aufwand für die Eltern zu sparen, wird dann auch bei der Kindersicherheit gespart.
Zwar weisen viele Pkw in der zweiten Sitzreihe drei genehmigte Sitzplätze auf. Drei Kinder in Kindersitzen gehen sich aber trotzdem nur dann aus, wenn mit offener Tür gefahren werden würde.
Mein Appell lautet daher: Klären Sie mit den Großeltern, Gasteltern etc., dass Ihre Zustimmung zur gut gemeinten Mitnahme ihres Kindes nur dann gilt, wenn die bestmögliche Sicherung im Fahrzeug gewährleistet ist. Das ist nicht nur das Recht ihres Kindes, sondern auch ihre elterliche Verantwortung!
- Achten Sie darauf, wie ihr Kind in fremden Fahrzeugen gesichert wird.
- Machen Sie unmissverständlich klar, dass ihr Kind keinesfalls ungesichert oder nur mit dem Fahrzeuggurt gesichert mitfahren darf.
- Viele Familien verfügen über zwei oder mehr Fahrzeuge im Familienverbund. Ja, es ist lästig bei jeder Fahrt die Kindersitze mitdenken zu müssen. Aber es darf einfach bei der Kindersicherheit im Auto keine „Beförderung zweiter Klasse“ geben.
Last but not least. Bedenken Sie bitte bei jeder Fahrt wie es wohl für Sie selbst wäre, wenn sich ein Kind durch Sicherungsmängel, die Sie zu verantworten haben, schwer verletzt wird oder für sein restliches Leben beeinträchtigt bleibt.
Die Verantwortung für Minderjährige im Auto liegt immer, gesetzlich wie moralisch, bei uns, den Erwachsenen.
Peter Jahn
Jahrgang ´65, Vater und Großvater von je drei Kindern und Enkelkindern, seit mehr als 20 Jahren in der Kinderunfallprävention tätig, seit über 15 Jahren bundesweit als Kinderfahrradtrainer im Einsatz, ausgebildeter Fahrradlehrer. Als Geschäftsführer der CAP-Kindersicherheit GmbH betreibt Peter Jahn u.a. folgende Websites:
www.autokindersitz.at
www.radworkshop.info
www.copilotentraining.info
Crashphysik
Und es hat „KABOOOM“ gemacht!
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