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Wenn der Kühlschrank leer ist – Wie Kinder Armut erleben und bewältigen

Elternbildung
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Die an der Fachhochschule Jena durchgeführte qualitative Studie zeigt auf, wie Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren in Ostdeutschland Armut erleben und bewältigen. Für die vierzehn Fallstudien wurden Kinder und ihre Eltern aus Stadt und Land befragt. Dabei wurde deutlich, dass sich Kinderarmut und kindliche Bewältigungsstrategien anders darstellen als die von Erwachsenen. Die Ergebnisse der Untersuchung fließen in Vorschläge für die Kinder- und Jugendarbeit und die Schule ein.

Von allem ist zu wenig da. Und es ist ungewiss, wann der Kühlschrank wieder gefüllt wird. Wie die Studie zeigt, hängt die Versorgungssituation im Haushalt benachteiligter Familien neben dem Einkommen auch von anderen Ressourcen ab wie sozialen Netzwerken, Tauschmöglichkeiten und der Beschaffung unwerter Gegenstände wie zum Beispiel von Sammelstellen. Das Haushaltsmanagement der Eltern – im Regelfall der Mütter – ist folglich für die kindliche Lebenslage ausschlaggebend. Für die Eltern zählt in den Bereichen Ernährung, Kleidung und Wohnen die Funktionalität mehr als sozio-kulturelle Aspekte, die für die Kinder eine größere Rolle spielen.

Die Ernährung der Kinder hängt vom Stellenwert ab, den die Mutter dieser im Haushaltsbudget beimisst. Unregelmäßige Nahrungsaufnahme ist dabei keine Seltenheit, es kommt immer wieder zu Versorgungsengpässen. Auch wird die Quantität der Ernährung auf Kosten der Qualität gesichert. Kinder messen den Reichtum einer Person auch am Vorhandensein von Nahrungsmitteln bzw. an der „Fülle“ im Kühlschrank. Bei der Kleidung wird ebenso gespart. Vielen Müttern ist aber die symbolische Bedeutung der Kleidung für ihre Kinder bewusst. Hin und wieder erstehen sie deshalb ein teureres Kleidungsstück oder versuchen, dem Wunsch der Kinder mit dem Kauf gefälschter oder gebrauchter Markenware nachzukommen. In einzelnen Fällen helfen Großeltern und andere Verwandte beim Kleiderkauf aus.

Im Bereich Wohnen nehmen die Kinder am häufigsten Mängel wahr. Es fehlt generell an Platz und Gestaltungsmöglichkeiten. Ein eigenes Zimmer steht an erster Stelle der Wunschliste der Kinder, gefolgt vom Wunsch nach einer größeren Wohnung. Besuche von gleichaltrigen Kindern sind in der Wohnung oft nicht möglich, da zu wenig Platz ist oder weil die Eltern keine Besuche erlauben. Eine Rückzugsmöglichkeit, um sich beispielsweise zu entspannen, ist aufgrund der materiellen Rahmenbedingungen nur beschränkt vorhanden. Wenig Spielraum gibt es auch bei der Freizeit und Urlaubsgestaltung. Unerfüllte Urlaubswünsche wurden von den Kindern häufig angesprochen.

Die befragten Kinder haben eine Vorstellung davon, was es bedeutet arm zu sein. Sie bekommen die Geldsorgen der Eltern mit und deuten dies auf ihre eigene Weise. Ein offener Umgang mit der Situation innerhalb der Familie kann den Kindern bei der Bewältigung helfen. Eine Tabuisierung der finanziellen Probleme belastet Kinder eher zusätzlich, zeigt die Untersuchung. Die finanziellen Engpässe in der Familie führen auch dazu, dass nicht alle Kinder regelmäßig Taschengeld erhalten. Trotz der Belastungen durch materielle Einschränkungen und zusätzliche Probleme fühlen sich die Kinder mit wenigen Ausnahmen in ihrer Familie wohl. Das Familienklima leidet am stärksten bei großen materiellen Einschränkungen, die mit zusätzlichen Problemen einhergehen.

Kontakte helfen weiter

Das verwandtschaftliche Netzwerk übernimmt in den meisten der untersuchten Familien verschiedene Hilfe- und Unterstützungsfunktionen.Am bedeutendsten sind die der Großeltern, die meist ihre Enkelkinder im Blick haben. Die Hilfeleistungen reichen von finanzieller Unterstützung, Zuwendungen in Naturalien wie Lebensmitteln über Kinder- und Krankenbetreuung bis hin zur Ermöglichung spezieller Kinderwünsche wie Spielzeug, Kleidung oder Freizeit- und Urlaubsgestaltung. Neben Eltern und Verwandten werden Kinder auch durch sozialpädagogische Einrichtungen und schulische Aktivitäten gefördert, soziale Kontakte und Kooperationsnetze aufzubauen. Das hilft vor allem jenen Kindern, die von zu Hause aus eher sozial isoliert leben. Die sozialen Kontakte der befragten Kinder sind unterschiedlich ausgeprägt und reichen von sozial gut integriert mit engen Freundschaftsbeziehungen bis zu sozial stärker isoliert mit wenigen Kontakten zu Gleichaltrigen außerhalb der Schule. Bei der Gruppe der sozial eher isolierten Kinder werden Kontakte zu Gleichaltrigen durch die Eltern eingeschränkt- aus Scham oder weil die Kontakte mit finanziellen Aufwendungen verbunden sind wie z. B. Kinobesuche oder Geburtstagsfeiern. Einige Eltern schaffen es aufgrund ihrer Belastung oder eigenen Isoliertheit nicht, die Kinder bei der Kontaktaufnahme und -pflege zu unterstützen. Die Schule ist oft der einzige Ort, an dem Kinder eigenständig Kontakte aufnehmen. Die Kontaktmöglichkeiten hängen auch von der Wohnlage ab. Am Land erschweren weite Entfernungen die Kontaktaufnahme, in der Stadt wohnen oft keine Kinder in der unmittelbaren Nachbarschaft. Was die soziale Integration und die Schulleistungen betrifft, zeigen sich bei den in Armut lebenden Kindern zwei Extrempole: die eine Gruppe hat gute Schulleistungen vorzuweisen und sieht die Schule als positiven Lebensort, die andere Gruppe ist leistungsmäßig
überfordert und sozial eher ausgegrenzt. Dazwischen liegt die Gruppe der Kinder, die Schwierigkeiten bei sozialen Kontakten haben, unabhängig davon, ob sie in der Schule gute oder schlechte Leistungen erbringen.

Strategien der Kinder

Wie die Kinder ihre Lebenslage bewältigen, hängt einerseits von der Eltern-Kind-Beziehung und der Kommunikation innerhalb der Familie ab und andererseits von den Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Kinder. Diese Möglichkeiten reichen von der aktiven Nutzung und Einforderung von Hilfe und Unterstützung durch Eltern, Verwandte oder andere soziale Kontakte bis hin zum Übernehmen von Strategien der Eltern wie z. B. Sparen oder das Nutzen von Einrichtungen wie Schule oder Kindertreff zum Aufbau und zur Pflege von Kontakten. Aber auch aggressive Formen des Umgangs mit Gleichaltrigen oder Gegenständen dienen der Bewältigung der vielseitigen Belastungen. Bei einigen Kindern kann angenommen werden, dass sie ähnliche Formen der Konfliktbewältigung in der Familie erfahren haben.

Vorschläge für Kinder- und Jugendarbeit und Schule

· Reform der Schule: Strukturell benachteiligte Kinder bringen nicht die gleichen Voraussetzungen in die Schule mit wie andere. Die Anstrengungen aufgrund zu hoher Leistungsanforderungen werden den Kindern zufolge zu wenig gewürdigt. Daneben haben sie mit Akzeptanzproblemen und Ausgrenzung fertig zu werden. Die Grundschule müsse auf das psychosoziale Wohlbefinden der Kinder und ihre Bedürfnisse eingehen, besagt auch der 10. deutsche Jugendbericht.

· Ganztagsschulen und integrative Schulformen: Damit könnte belasteten Familien, vor allem Alleinerziehenden, ermöglicht werden, leichter einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Schule müsste stärker sozialpädagogisch ausgerichtet sein und auf die Bedürfnisse und Probleme benachteiligter Kinder eingehen, z. B. Hilfe bei Hausaufgaben, Freizeitaktivitäten, Betreuung und Beratung.

· Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe: Die Schule sollte sich gegenüber dem Stadtteil bzw. dem Freizeitbereich öffnen in Richtung gemeinwesenorientierte Schule. Andererseits sollten die Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit auch Freizeit-, Förderund Bildungsangebote entwickeln – auch in Zusammenarbeit mit den Schulen.

· Neufassung des Bildungsverständnisses in der Jugendarbeit: Neue Strukturen, die sich auf die Lebenslagen benachteiligter Kinder beziehen, sind erforderlich. Das wird vermutlich nur im Zusammenwirken der unterschiedlichen Bildungseinrichtungen und mit dem Ausbau kommunaler Infrastrukturangebote für benachteiligte Kinder, Jugendliche und Familien erreichbar sein.

Quelle: Informationsdienst des Österreichischen Instituts für Familienforschung