Hebammen begleiten die unterschiedlichsten Arten von Geburten – wir erleben Mütter und Eltern bei ihren glücklichsten, aber leider auch manchmal in tieftraurigen Momenten. Insbesondere bei einem Schwangerschaftsverlust sind Hebammen als kompetente und einfühlsame Ansprechpartnerinnen ein wichtiger Kontakt für die betroffene Familie.
Begriffsdefinition
Der medizinische Fachausdruck zum Schwangerschaftsverlust lautet Abortus. Es wird zwischen einem Frühabortus und einem Spätabortus unterschieden. Der Frühabortus bezieht sich auf den Zeitraum der Embryonalphase bis zum Beginn der 16. Schwangerschaftswoche. Der Begriff Spätabortus wird ab der 16. Schwangerschaftswoche bis zu einem Geburtsgewicht von unter 500 Gramm (ca. 22 SSW) verwendet. Wiegt das Kind bei der Geburt 500 Gramm oder mehr und es konnten keine Lebenszeichen nach der Geburt festgestellt werden, spricht man von einer Totgeburt.
Der medizinische Fortschritt ermöglicht es in vielen Fällen bereits, lebensfähige Kinder mit einem geringeren Geburtsgewicht als 500g intensivmedizinisch zu betreuen. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle: Es werden körperliche Voraussetzungen wie das Gewicht, aber auch elterliche Wertvorstellungen und Versorgungsmöglichkeiten in die Entscheidung eingebunden.
Viele sind betroffen
Das Erleben von Fehlgeburten und Totgeburten übersteigt häufig die Belastbarkeitsgrenze der Betroffenen. Häufig wird dann nach der Ursache oder „Schuld“ gesucht. Für die betroffenen Eltern ist es wichtig zu wissen, dass in fast allen Fällen niemand daran Schuld trägt, wenn eine Schwangerschaft vorzeitig endet. Eine Fehlgeburt kann sehr viele Gründe haben und die wenigsten lassen sich beeinflussen oder gar verhindern. Die Natur sortiert aus, die Hormone spielen eine Rolle und ganz viele andere Faktoren beeinflussen eine Schwangerschaft ebenfalls.
Vielen Eltern tut es in diesem Zusammenhang gut, sich bewusst zu machen, dass sich sehr viele Familien in der gleichen Situation befinden, wie sie jetzt gerade. Obwohl wenig darüber geredet wird, ist gerade ein früher Schwangerschaftsverlust Teil der Lebensrealität vieler Frauen und Familien. Schätzungsweise jede dritte bis vierte Schwangerschaft endet mit einer Fehlgeburt. Die Angaben in den verschiedenen Quellen schwanken etwas, da ja auch einige Schwangerschaften enden, bevor die Frau diese bemerkt und zudem ist die Meldung einer Fehlgeburt nicht verpflichtend. Die Rate der Fehlgeburten der bekannten Schwangerschaften in Österreich liegt bei etwa 15%. Die Zahl der Totgeburten liegt bei ca. 0,3-0,4%.
Emotionale Herausforderungen
Fehlgeburten und Totgeburten sind häufig mit einer starken emotionalen Belastung verbunden. Frauen und Paare erleben eine Vielzahl von Gefühlen wie Trauer, Schuld, Scham, Wut und Hilflosigkeit. Das Empfinden von Trauer und Schmerz nach einer Fehlgeburt ist sehr individuell und hängt auch von der eigenen Identifikation der Betroffenen als Mutter und oder Vater ab.
Leider spielt auch das gesellschaftliche Tabu, das diese Themen oft umgibt, eine Rolle im Umgang mit der Trauer. Es führt häufig dazu, dass betroffene Eltern sich isoliert fühlen und keine adäquate Unterstützung in Anspruch nehmen. Besonders nach frühen Fehlgeburten wird die Trauer häufig nicht anerkannt. Oftmals wird den Eltern von ihrem Umfeld nahegebracht, den Verlust als „natürlichen“ Teil des Lebens zu betrachten. Damit werden aber der Schmerz und die Bedürfnisse der betroffenen Eltern nicht gesehen und gewürdigt, die sich unabhängig von der Schwangerschaftswoche einstellen.
Manchmal sind die emotionalen Belastungen eines Schwangerschaftsverlusts langanhaltend und sehr schwer zu bewältigen. Untersuchungen mehrerer Studien zum Thema zeigen, dass das Auftreten von psychischen Erkrankungen, wie Angststörung, Depression und posttraumatischer Belastungsstörung, unter betroffenen Eltern keine Seltenheit sind. Auch bei weiteren Schwangerschaften können die Belastungen bestehen bleiben. Es gibt viele Anlaufstellen, zum Beispiel für einen Austausch mit Betroffenen. Hebammen können über eine Reihe von Möglichkeiten informieren, wo man sich Unterstützung holen kann.
Unterstützung und Hilfe durch Hebammen
Auch im Fall eines Schwangerschaftsverlustes handelt es sich um eine Geburt, die von Hebammen begleitet werden sollte. Deshalb wäre es wünschenswert, dass jede betroffene Frau unabhängig von der Schwangerschaftsdauer, nach der Geburt durch eine Hebamme versorgt wird. Das Österreichische Hebammengremium (ÖHG) setzt sich seit geraumer Zeit dafür ein, dass Mütter, die einen Schwangerschaftsverlust erleiden mussten, eine Hebammenbegleitung im Wochenbett als Kassenleistung erhalten. Seit 1. September 2024 gibt es mit einer Neuregelung nun einen Fortschritt: Frauen, die nach der 18. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden, haben nun Anspruch auf die Betreuung einer Hebamme als Kassenleistung. Diese Regelung ist ein wichtiger Schritt, die Versorgung Betroffener niederschwellig und kompetent anzubieten. Weitere Forderungen des ÖHG, wie die nach einer psychologischen bzw. psychotherapeutischen Begleitung wurden leider noch nicht erfüllt.
Die medizinische Betreuung von Frauen, die eine Fehl- oder Totgeburt erleiden, sollte einfühlsam, kompetent und umfassend sein. Ein wichtiges und nicht zu vernachlässigendes Thema ist es, auch die Rückbildungsvorgänge von verwaisten Müttern zu unterstützen. Diese körperlichen Vorgänge gepaart mit der emotionalen Situation erfordern einen fachkundigen und sensiblen Umgang mit allen Betroffenen. Durch ausreichend Zeit, geschützte Räumlichkeiten und die vertraute Hebamme kann diese herausfordernde Zeit später zu einer Erinnerung mit zumindest teilweise positiven Aspekten werden und den Trauerprozess begünstigen. Hebammen stellen zudem ein wichtiges Bindeglied zur weiteren Versorgung dar und können auf Anlaufstellen und professionelle Unterstützung verweisen.
Rechtliche Aspekte und die Forderung nach Raum für Trauer
Nach dem Mutterschutzgesetz haben werdende Mütter, sobald ihnen ihre Schwangerschaft bekannt ist, ihren Dienstgeber hievon und über den voraussichtlichen Geburtstermin in Kenntnis zu setzen. Ebenso ist der Dienstgeber bei einem vorzeitigen Ende der Schwangerschaft zu verständigen. Da eine Verheimlichung der Schwangerschaft durch die Mutter sanktionslos bleibt, geben Arbeitnehmerinnen aus persönlichen und arbeitsrechtlichen Gründen häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt ihre Schwangerschaft bekannt. Kommt es in der Zwischenzeit zu einem Schwangerschaftsverlust, begünstigt dies eine Verschwiegenheit über die Umstände. Leider birgt dieser Umgang aber für die Frau und für die ganze Familie oftmals eine Unterdrückung ihrer Emotionen in der Öffentlichkeit und am Arbeitsplatz und trägt damit zur emotionalen Belastung bei.
Das ÖHG engagiert sich für eine freie Entscheidung über eine mögliche Karenzierung betroffener Frauen. Solch eine Regelung könnte einen flexiblen Raum für Trauerarbeit und Regeneration schaffen. Zudem könnten eine gesetzliche Regelung zur Bestattung von Fehlgeburten, sowie eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Zugang zu Entschädigungen dazu beitragen, den betroffenen Eltern mehr Sicherheit und Unterstützung zu bieten.
Astrid Panger, MBA
Leiterin der Plattform „Verwaiste Eltern“ und des Referats für Trauerpastoral in der Diözese Gurk-Klagenfurt, Studium Leadership und Sozialmanagement, Ausbildung in Krisen-, Trauer- und Gruppenbegleitung, zertifizierte Kinder- und Jugendtrauerbegleiterin, Integrative Erwachsenenbildnerin, Referentin in der Erwachsenenbildung, Bibliologin
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