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Abschiedszeremonien und Rituale: Stille Geburt – wenn das Leben schweigt

von Astrid Panger, MBA

Die stille Geburt eines Kindes ist ein zutiefst einschneidender Moment. Das Leben, das mit so viel Hoffnung erwartet wurde, endet, bevor es richtig beginnen konnte. Zurückbleiben Eltern und oft auch Geschwister. Was bleibt, ist unermesslicher Schmerz – und die Frage: Wie Abschied nehmen, wenn das Leben kaum begonnen hat? Stille Geburten lassen keine lauten Spuren in der Welt – aber tiefe Spuren in den Herzen der Menschen, die lieben und das Unbegreifliche begreifen müssen.

Ein Raum für Würde, Mitgefühl – und Familienbindung

Kliniken und Geburtsstationen haben heute ein sensibles Verständnis für diese herausfordernde Situation entwickelt – sowohl für die betroffenen Eltern als auch für die Mitarbeitenden auf der Geburtenstation. Viele Einrichtungen schaffen eine Atmosphäre, in der nicht nur das verstorbene Kind gesehen wird, sondern auch die Familie als Ganzes in den Blick genommen wird – mit all ihrer Trauer, ihren Fragen und ihrem Bedürfnis nach Halt.

Gerade Geschwisterkinder dürfen in solchen Momenten nicht übersehen werden. Auch sie verlieren ein Brüderchen, ein Schwesterchen, eine Zukunft. Ihnen eine kindgerechte Möglichkeit zur Verabschiedung zu geben, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg des gemeinsamen Trauerweges.

Den Eltern wird Zeit gegeben, ihr Kind zu sehen, zu berühren, es zu halten. Diese Momente – so flüchtig  oder intensiv sie sein mögen – sind kostbar und prägend. Viele Eltern berichten rückblickend, wie heilsam es war, ihr Kind als vollwertiges Familienmitglied zu begrüßen, auch wenn das Leben zu kurz war.

Erinnerungen schaffen, wo keine Zukunft mehr ist

Rituale helfen, Unsagbare greifbarer zu machen. Sie geben Halt, Struktur und ermöglichen ein bewusstes Abschiednehmen. Besonders wichtig ist dabei das Schaffen von Erinnerungen, als Brücke zwischen Eltern und Kind, zwischen Liebe und Verlust.

Abschiedsrituale: Erinnerungen schaffen, Verbundenheit stärken

  • Fotografien des Kindes – gemacht von ehrenamtlichen Sternenkind-Fotograf:innen, wie etwa der Initiative „Dein Sternenkind“, oder auch von der Familie selbst. Diese Bilder sind oft die einzigen sichtbaren Erinnerungen an das Kind und werden zu kostbaren Schätzen des Andenkens.
  • Die Namensgebung – dem Kind einen Namen zu geben, bedeutet mehr als nur eine formale Handlung: Es ist ein Ausdruck von Liebe, Identität und Würde. Viele Eltern empfinden dies als einen ersten Schritt, ihr Kind sichtbar zu machen und ihm einen festen Platz in der Familie zu geben.
  • Beantragung einer Namensurkunde beim zuständigen Standesamt, auch unabhängig vom Geburtsgewicht. In Österreich ist dies seit 2017 möglich. Diese freiwillige Beurkundung gibt Eltern ein offizielles Dokument, das bestätigt: Ihr Kind hat existiert.
  • Fuß- oder Handabdrücke, eine Haarlocke, das erste und oft einzige Kleidungsstück: Diese kleinen Gegenstände bergen eine große emotionale Kraft. Sie sind greifbare Erinnerungen an ein Kind, das man viel zu früh gehen lassen musste.
  • Segnungen oder Abschiedszeremonien, ob im Krankenhaus, im häuslichen Umfeld oder im Kreis von Familie und Freunden. Diese rituellen Momente geben Raum für Worte, Tränen, Dankbarkeit und Stille. Sie würdigen das Kind und seine Bedeutung für die Familie.
  • Gedenktage, wie der Worldwide Candle Lighting Day am zweiten Sonntag im Dezember: Weltweit werden an diesem Tag um 19 Uhr Ortszeit Kerzen für verstorbene Kinder angezündet. Für viele Eltern ist dieser stille Lichtergruß ein Zeichen der Verbundenheit mit anderen Betroffenen – und mit ihrem Kind.

Mögliche Rituale für und mit Geschwisterkindern:

  • Ein Bild malen oder ein Kuscheltier aussuchen, das mit ins Grab oder in die Erinnerungsbox gelegt wird.
  • Gemeinsam eine Kerze anzünden, Geschichten erzählen oder ein Kinderlied singen.
  • Fußabdrücke oder Fotos gemeinsam anschauen
  • Ein Brief ans Sternenkind, den die ganze Familie schreiben oder malen kann.
  • Ein eigenes Ritual zu Hause, z. B. einen kleinen Gedenkplatz gestalten mit einem Bild, Blumen oder selbst gesammelten Steinen.

Wichtig ist: Die Beteiligung soll freiwillig und sanft geschehen. Kinder brauchen das Gefühl, dass sie mit ihren Gefühlen richtig sind. Ganz gleich, ob sie weinen, lachen, fragen oder schweigen.

Bestattungsmöglichkeiten für Sternenkinder

Die Bestattung von Sternenkindern ist sehr sensibel geregelt, wobei den Eltern viel Raum für eigene Entscheidungen gelassen wird. Es gibt sowohl gesetzliche Vorgaben als auch viele Unterstützungsangebote, um Eltern in dieser schweren Zeit zu begleiten.

  • Bestattungspflicht: Für Kinder mit einem Geburtsgewicht ab 500 Gramm, gilt eine Bestattungspflicht. Dies bedeutet, dass Eltern für die Bestattung des Kindes sorgen müssen, auch wenn es nur sehr kurz lebte oder tot zur Welt kam.
  • Bestattungsmöglichkeit: Für Kinder, die mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm tot zur Welt kommen, besteht keine gesetzliche Bestattungspflicht. Dennoch gibt es selbstverständlich die Möglichkeit einer Bestattung. Eltern haben die Wahl, sich für eine Gemeinschaftsbestattung oder für eine Bestattung im (Familien-)Grab zu entscheiden. Die Kosten für eine Gemeinschaftsbestattung werden in der Regel aus öffentlichen Mitteln finanziert. Hingegen müssen die Eltern die Kosten für eine Bestattung in einem privaten Grab selbst tragen.
  • Bestattungsoptionen: Einzelgräber, Gemeinschaftsgräber, Urnenbeisetzung, Natur- oder Baumbestattungen sind möglich.

Zum Abschluss möchte ich ein paar Gedanken teilen:

„Auch wenn unser Kind nur kurz bei uns war, hat es Spuren in unseren Herzen hinterlassen, die ein Leben lang bleiben.“
– Eine betroffene Mutter

„Eine stille Geburt ist keine stille Geschichte. Sie erzählt von Liebe, Hoffnung, Verlust – und von der Stärke der Eltern, ihr Kind trotz allem willkommen zu heißen.“
– Hebamme in einer Geburtsklinik

„Ich habe mein Kind nicht weinen hören. Aber ich habe gespürt, dass ich Vater geworden bin – in einem Moment, der alles verändert hat.“
– Ein betroffener Vater

„Auch wenn das Leben schweigt, bleibt die Liebe hörbar – in jeder Erinnerung, in jeder Geste und in  jedem stillen Licht.“ (Astrid Panger)

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