Kindersicherheit und Unfallprävention: Tipps für Kauf und Gebrauch von Spielzeug
von Univ.-Prof. Dr. Holger Till
Was schenken wir dem Kind bloß zum Geburtstag/zu Weihnachten/…? Welche Spielsachen eignen sich für welches Alter? Worauf ist dabei sonst noch zu achten?
Diese und ähnliche Fragen stellen sich Eltern, Verwandte und Freunde, wenn es um die Auswahl von Spielsachen für Kinder geht.
Der Faktor „Kindersicherheit“ sollte bei Kauf und Gebrauch von Spielzeug immer mitbedacht werden. Denn so manche Spielsachen bergen ernste Unfall- und Gesundheitsgefahren: So können z. B. darin enthaltene Batterien schwere Verletzungen verursachen oder gar lebensgefährlich sein, wenn sie verschluckt werden.
Die Analysen des Forschungszentrums für Kinderunfälle des Vereins GROSSE SCHÜTZEN KLEINE zeigen: Unfälle mit Spielzeug passieren verstärkt bei Kleinkindern. Das durchschnittliche Verletzungsalter beträgt zwei Jahre. Kleinteile stellen hier eine besondere Gefahr dar.
Vorsicht gilt außerdem bei batterie- oder strombetriebenen Spielsachen. Auch Schnitt- und Fleischwunden kommen bei Spielzeug regelmäßig vor. Die Verletzungen, die beim Spielen mit Wurfspielzeug und Waffennachbildungen passieren, betreffen meist Hals, Nase, Ohren oder Augen.
Wenn man folgende Punkte berücksichtigt, kann man das Verletzungsrisiko für sein Kind deutlich senken – für einen ungetrübten Spielspaß:
Prüfsiegel und Gebrauchshinweise
Die Norm EN 71-1 und die Richtlinie 2009/48/EG (Spielzeugrichtlinie) regeln die Sicherheit von Spielzeug in der Europäischen Union. Laut dieser Spielzeugrichtlinie muss eine CE-Kennzeichnung auf allen in der EU verkauften Spielsachen vorhanden sein. Achten Sie außerdem auf Prüfzeichen wie z. B. das GS-Zeichen, das spiel-gut-Zeichen das TÜV-Proof-Siegel sowie bei elektrischem Spielzeug auf das VDE-Gütesiegel.
Packen Sie das Spielzeug komplett aus und entfernen Sie das Verpackungsmaterial sorgfältig, bevor Kleinkinder damit spielen! Lesen Sie stets die Gebrauchsanweisung und achten Sie besonders auf Warnhinweise!
Beratung, Testergebnisse, Online-Kauf
Das Angebot im Internet ist riesig. Doch beim Online-Kauf lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Viele über Online-Shops angebotene (Billig-)Spielsachen entsprechen nicht europäischen Normen und Qualitätsstandards. Informieren Sie sich hier genau über den Shop und dessen Produkte! Lassen Sie sich im Zweifelsfall besser im Fachhandel beraten! Auch Testergebnisse von z. B. Stiftung Warentest bieten eine gute Unterstützung bei der Auswahl.
Altersgerecht
Wählen Sie altersgerechtes Spielzeug aus! Spielsachen sollten für Kinder weder über- noch unterfordernd sein. (Sind sie unterfordernd, werden sie oft auf unsachgemäße, teils gefährliche Weise verwendet.)
Achten Sie bei Spielzeug für Kleinkinder auf den Hinweis „nicht geeignet für Kinder unter drei Jahren“.
Kleinteile
Kinder erkunden ihre Umwelt mit allen Sinnen, gerade die Jüngsten auch mit dem Geschmackssinn. Aber: Kleinkinder können eklige, gesundheitsschädliche oder gefährliche Dinge meist nicht als solche erkennen. Oftmals stecken sie Kleinteile – auch solche, die sich von größeren Spielsachen ablösen – in Nase und Ohren, verschlucken sie oder atmen sie ein. Manchmal werden Kleinteile zudem mit Süßigkeiten verwechselt.
Als Faustregel bezüglich der Größe von Gegenständen gilt: Alles, was kleiner als ein Tischtennisball ist, stellt eine potenzielle Gefahr für Kinder unter drei Jahren dar. Rundes oder Kugelförmiges kann sehr leicht den Kehlkopfbereich dicht abschließen.
Wenn Sie ein älteres Kind und ein Kleinkind haben: Beaufsichtigen Sie das kleine Kind besonders gut und räumen Sie Kleinteile bzw. Spielzeug mit Kleinteilen nach Gebrauch durch das ältere Kind gleich weg! Erklären Sie außerdem älteren Geschwistern, warum Kleinteile für Kleinkinder gefährlich sein können!
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Kleinteile: wann ins Spital?
Hat das Kind ein Kleinteil verschluckt, wird dieses in der Regel über den Magen-Darm-Trakt ausgeschieden. In einigen Fällen ist eine medizinische Behandlung jedoch zwingend erforderlich. Unbedingt zum Arzt bzw. ins Krankenhaus müssen Kinder, wenn Teile im Hals feststecken, eingeatmet werden oder wenn sie folgende Dinge verschluckt haben:
- Batterien: Batterien können je nach Typ und Alter verschiedene Stoffe freisetzen, die gesundheitsschädlich und im schlimmsten Fall sogar lebensbedrohlich sein können.
- Magnete: Mehrere Magnete ziehen sich an – auch im Dick- oder Dünndarm über zwei Darmwände hinweg. Bleibt dies unbemerkt, kann sich die Darmwand entzünden und absterben. Ein Durchbruch der Darmwand kann die Folge sein.
- Münzen: Euro-Münzen sind nickelhaltig und können eine allergische Reaktion auslösen.
- Metallische Objekte: Bei metallischen Gegenständen ist die Form und Lage ausschlaggebend, ob der natürliche Abgang abgewartet werden kann.
- Spitze/scharfkantige Objekte: Auch in diesen Fällen muss das Kind unbedingt im Krankenhaus untersucht und beobachtet/entsprechend behandelt werden.
- Giftige/ätzende Bestandteile: Alles, was giftige oder ätzende Bestandteile haben könnte, gehört unbedingt medizinisch abgeklärt und behandelt.
Hustenreiz ohne sonstige Erkältungssymptome: Anzeichen für eingeatmete Kleinteile
Durch Einatmen können kleine Gegenstände sehr tief in die Lunge oder in die Bronchien gelangen. Auch wenn das Kind anfangs beschwerdefrei ist, entwickelt sich nach wenigen Tagen ein Hustenreiz. Gibt es keine weiteren Symptome, die auf eine Erkältung hinweisen, sollten Sie ärztliche Hilfe aufsuchen und die Lunge kontrollieren lassen!
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Spielsachen mit Batterien, Akkus und Strom
Verzichten Sie für Kleinkinder lieber auf Spielzeug mit (Knopf-)Batterien – bei Verschlucken können schwere Verätzungen oder gar Lebensgefahr drohen! Elektrospielzeug sollte eine maximale Betriebsspannung von 24 Volt nicht übersteigen. Für Kleinkinder sollten außerdem Spielzeuge mit Netzgeräten vermieden werden. Bei Spielsachen mit Akkus besteht Brandgefahr: Deshalb beim Aufladen auf eine feuerfeste Unterlage und Umgebung achten und Akkus am Ende der Lebensdauer oder bei sichtbaren Defekten ordnungsgemäß entsorgen!
Scharfe Ecken und Kanten, Quetsch- und Scherstellen
Achten Sie darauf, dass das Spielzeug keine scharfen Ecken und Kanten oder Quetsch- und Scherstellen aufweist!
Speichel- und Schweißechtheit, Chemikalien und Weichmacher, Entflammbarkeit
Suchen Sie bei Spielzeug mit Farbüberzug, z. B. bei lackierten Holzbausteinen, nach Hinweisen zur Speichel- und Schweißechtheit! Weiche Spielsachen, wie Kuscheltiere, sollten Sie kritisch auf giftige Weichmacher prüfen. Unangenehm stechende oder beißende Gerüche weisen auf gefährliche Inhaltsstoffe hin. Achten Sie zudem auf nicht bzw. nur schwer entflammbare Materialien!
Stabilität
Vor dem Kauf von Dreirädern & Co. empfiehlt sich ein einfacher „Rütteltest“, um die Stabilität verschiedener Modelle besser einschätzen und vergleichen zu können.
Regelmäßige Kontrolle
Führen Sie regelmäßig eine Sichtkontrolle des Spielzeugs durch: Ist das Spielzeug noch intakt? Ist das Batteriefach sicher verschlossen? Beginnen sich Kleinteile abzulösen? Sind Verbindungen wie z. B. Schrauben noch fest?
Achtung, Stolperfalle!
Stürze sind die häufigste Unfallursache bei Kindern. Herumliegende Spielsachen stellen oft wahre Stolperfallen dar. Zusammenräumen hat also auch einen unfallpräventiven Effekt.
Mit bewusster Auswahl, geprüfter Qualität und regelmäßiger Kontrolle können Sie also dafür sorgen, dass Spielzeug nicht zur Gefahr wird – damit Kinder unbeschwert und sicher ihre Welt entdecken können.
Unfallzahlen/-daten: Forschungszentrum für Kinderunfälle
www.grosse-schuetzen-kleine.at/forschungszentrum
Weitere Tipps und Informationen rund um Kindersicherheit und Unfallprävention:
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