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Förderung statt Formung in der Kindererziehung

von Ursula Bencsics

Was versteht man unter „früher Förderung“?

Ganz generell versteht man unter Förderung die bewusste und wertschätzende Begleitung von Kindern auf ihrem Weg zu selbstbewussten und selbstbestimmten Erwachsenen, die mit beiden Beinen im Leben stehen und mit Herausforderungen gut umgehen können. Sie zielt darauf ab, dass sich Kinder in ihren individuellen Fähigkeiten entwickeln können, und ist damit, wenn man so will, das Gegenteil von Formung und Konditionierung. Förderung verlangt daher von Eltern ab der Geburt des Kindes eine innere Haltung der Neugierde, der Erwartungsfreiheit und der Beobachtung.

Wie funktioniert Förderung in der Praxis

Förderung ist ein spannender, gemeinsamer und vor allem wertschätzender Prozess, für den es keine vorgefertigten Regeln gibt. Jedes Kind ist einzigartig und entwickelt sich auf eine spezielle Art. Für Eltern bedeutet das, dass Beobachtung der Schlüssel einer guten Förderung ist, denn nur durch Beobachtung können sie die Stärken und angelegten Fähigkeiten des eigenen Kindes erkennen. Essenziell wichtig ist auch, mit Kindern zu reden und ihre Befindlichkeiten zu besprechen. Durch das offene Eingehen und neugierige Fragen entsteht Verbindung und Vertrauen.

Förderung bedeutet aber auch, für das Kind da zu sein, wenn es einen braucht, und ihm gleichzeitig zuzutrauen, eigene Erfahrungen zu machen. Um dafür einen sicheren Raum zu schaffen, bedarf es wiederum klarer, von den Eltern vorgegebener Grenzen. Außerdem sollten Kinder mit den bestehenden Regeln, die das Leben in unserer Gesellschaft beinhaltet, bekannt gemacht werden. Zum einen, um diese, wie beispielsweise den wertschätzenden wechselseitigen Umgang, zu lernen, zum anderen aber auch, um diese Regeln zu hinterfragen und den Sinn dahinter erkennen zu dürfen.

Ich rate Eltern gerne, aufzuschreiben, welche Vision sie für ihre Kinder haben. Es geht darum, dass sie sich bewusst damit auseinandersetzen und eine klare Vorstellung davon entwickeln, wie sich ihre Kinder in 20 Jahren fühlen sollen und wie sie mit dem Leben umgehen sollen.

Diese Vision kann immer wieder gelesen und eventuell ergänzt werden. Eine klare Vorstellung darüber, worin und wofür man sein Kind fördern will, erleichtert auch die täglichen Herausforderungen wie beispielsweise schlechte Noten, Pubertät … und rückt sie in ein leichteres Licht.

Und letztlich empfehle ich immer wieder, als inneren Leitsatz heranzuziehen: „Das, was ich in meinem Kind beleuchte, wird bestärkt und größer werden!“

Kann man Kinder über- oder unterfordern?

Durchaus, vor allem wenn man ihnen aus Liebe und Fürsorge Lösungen und Lösungsfindungen vorgibt. Eltern sollten immer daran denken, dass ihre Rolle darin liegt, ihre Kinder dabei zu begleiten, selbst Lösungen zu finden, anstatt sie ihnen vorzugeben.

Überforderung entsteht, wenn das Kind wie ein Erwachsener behandelt wird und Entscheidungen eingefordert werden, die es altersbedingt noch nicht treffen kann. Gleiches gilt, wenn Kinder von klein an in Problemgespräche der Eltern integriert sind. Dadurch kann es außerdem sein, dass sie das Vertrauen ins Leben und in die Sicherheit, die sie brauchen, um sich entwickeln zu können, verlieren. Kinder fühlen sich aber auch durch einen – durch Vergleiche mit anderen ausgelösten – Erwartungsdruck überfordert.

Wichtig ist jedenfalls, Kinder auch Kind sein zu lassen: Spaß, freie Bewegung und Fantasie sind natürliche Begleiter in der Entwicklung.

Wie wirkt sich eine Überforderung bei Kindern aus?

Da gibt es viele Facetten, aber bei Überforderung reagieren Kinder oft mit Aggression, Rückzug, Traurigkeit, Ängsten und/oder unnatürlicher Abhängigkeit von den Eltern.

Es kann sein, dass sie aufhören, an sich zu glauben, und sich und ihre Wahrnehmung verlieren. Manchmal flüchten sie in Computerwelten, in denen sie sich immer weiter von ihrer Selbstbestimmung entfernen, manchmal werden sie zu „gehorsamen Wesen“, die ihre eigenen Interessen und Fähigkeiten nur schwer oder gar nicht erkennen können.

Was sind die größten Missverständnisse, wenn es um die Förderung von Kindern geht?

Für mich sind die größten Missverständnisse diejenigen, die aus Liebe entstehen.

Erziehung ohne Grenzsetzung in Klarheit und Liebe ist dabei ein klassisches Beispiel. Denn erst durch die klare Grenzsetzung, wie ein Zaun um ein Grundstück, kann eine Sicherheit entstehen, in der sich das Kind fallen lassen und frei entwickeln kann.

Oft nehmen Eltern oder Elternteile auch den Erfahrungsraum ein, der dem Kind zusteht, und verhindern damit, dass es seine eigenen Erfahrungen machen darf. Das passiert dann, wenn alles für das Kind gemacht wird, alle sogenannten Steine aus dem Weg geräumt werden und für das Kind entschieden wird.

Sich Kindern gegenüber zu verstellen und immer fröhlich sein zu wollen, ist auch ein gängiges Missverständnis. Denn damit schafft man ein Feld der Unehrlichkeit, in dem das Kind eine Diskrepanz zwischen erlebtem Äußeren und der wahrgenommenen Energie erfährt und so der eigenen Wahrnehmung nicht mehr traut. Kindern wird dadurch die Möglichkeit genommen, alle Emotionen erleben zu dürfen, und auch zu erkennen, dass jede Emotion wichtig und richtig ist.

 

 

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