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Wenn Babys zu früh geboren werden, steht das ganze Leben auf dem Kopf.

von Brigitte Messner

Elternbildung
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Da denke ich gerne an die Textpassage von Reinhard May („Über den Wolken“), welche lautet: „Würde was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“

Ich war noch recht ruhig, als ich in der 26. SSW ein Blutströpfchen entdeckte. Selbst fuhr ich zur Kontrolle ins nächste Krankenhaus. Dort hieß es sofort Wehenhemmer und liegen bleiben. Das war ich zum Glück schon gewöhnt, da meine Zwillingsschwangerschaft auf Grund verschiedener Komponenten zur absoluten Risikoschwangerschaft gehört.

Alles hat sich wieder beruhigt und ich durfte mit oralen Wehenhemmern und Bettruhe das Spital nach zwei Wochen wieder verlassen. Doch noch in dieser Nacht kam ich mit starken Blutungen und Wehen mit Blaulicht ins Krankenhaus, von dort nach einer kurzen Ultraschalluntersuchung weiter in die Klinik nach Innsbruck. Es gelang dem dortigen Team mit zwei verschiedenen Wehenhemmern, die Wehen noch für 24 Stunden zu stoppen. Leider wurde die Blutung aber derart stark und die Wehen waren nicht mehr zu stoppen. Man entschied sich für einen sofortigen Kaiserschnitt bei 28+0.

„So, nun sind sie da, Ihre Zwillinge, in Ihrem Alter mit dieser Ausgangslage!“, mit diesen Worten begrüßte mich der zuständige Kinderarzt nach 3,5 Stunden bangem Warten, halbseits gelähmt von der Narkose, in meinem Bett liegend im Kreissaal.

Jede/r, der schon Kinder hat, kann sich bestimmt an diese besondere Kennenlernzeit erinnern. Dieses Innehalten und dieses Aufkommen der Ruhe, das Beschnuppern… Nichts von all dem erlebte ich als Frühchen-Mama. Man darf seine Kinder nur mit Schutzkleidung, schwitzend und sich vor Schmerzen krümmend mit den Fingern berühren. Alles ist fremd. Weinende Eltern, welche gerade Abschied von ihrem Baby nehmen mussten, gehen an einem vorüber… Kein lieblicher Babyduft, keine innere Ruhe und Geborgenheit. Man ist einfach nicht zuständig für seine Kinder. Man kann sie anfangs weder nähren, noch beschützen, einfach gar nichts. All das übernehmen Maschinen und das zum Glück dazugehörige Personal. Man muss dieses innere Bedürfnis komplett zurückdrehen und auf ein paar Momente beschränken. Doch immer mit der Angst im Nacken, was als Nächstes kommt. Besonders anfangs begrüßte uns der Arzt jeden Tag mit einer neuen Hiobsbotschaft. Viel wurde versucht, manches war eine Sackgasse, manches gelang. Einiges konnte man nicht beeinflussen. Die kleinen Kämpfer haben selbst ihren Beitrag dazu beigetragen. Man gewöhnt sich mit der Zeit an das Klingeln der Alarme, den Anblick seines Babys, welches noch nicht für das mütterliche Auge zu diesem Zeitpunkt bestimmt gewesen wäre. Diese durchsichtige Haut, die noch unfertigen Ohren, fast in jeder Körperöffnung steckt irgendetwas oder wird daran herummanipuliert. So viele Röntgenstrahlen, Blutabnahmen, Einläufe, Infusionen, Bluttransfusionen usw. haben so manche 90-Jährige ihr Leben lang nicht bekommen. Dies alles muss man mittragen, gutheißen mit dem Hintergedanken, dass man vertrauen muss auf die Kunst der Ärzte, welche mit viel Liebe ihren Beruf ausüben.

Noch gut erinnere ich mich an einen Abend, an welchen ich nicht wusste, ob ich beten soll um das Leben meiner Kinder oder ob es nicht besser wäre, loszulassen. Dieses Auseinandersetzen mit dem Tod hat mir aber auch unglaublich viel Kraft und Mut gegeben. Es hat eine Welle von Zuversicht und Stärke in mir losgelöst.

Auch die Kontakte, welche man in dieser Zeit in der Unterkunft oder auf der Station knüpft, der Austausch mit Betroffenen, das Lesen der vielen Karten, dieses Schwarz auf Weiß, Bilder von Kindern, bei denen es gut gegangen ist. Man klammert sich an jeden Strohhalm.

Würde ich all die Operationen, Komplikationen ausführlicher beschreiben, könnte ich wohl ein Buch damit füllen. Das ist aber nicht das Ziel meines Beitrages. Es soll nur ein wenig einladen, hinzuschwingen zur Gefühlswelt einer Frühchen-Mama.

Ohne Hilfe der unglaublich großen medizinischen Kompetenz hätten unsere Zwillinge keine Chance gehabt zu überleben. Tiefe Dankbarkeit durchströmt einen. Dankbarkeit für den Ort, wo man lebt, welcher all dies überhaupt absichert. Medizinisch, finanziell… Dankbarkeit für den ganzen Rückhalt aus der Partnerschaft, der Familie, dem Freundeskreis. Sei es ein Telefonat mit dem Mann, der Familie oder einer Freundin.

All diese kleinen, unsichtbaren Brücken hinaus in die Welt bzw. heim in das eigentliche Umfeld. Zurück zum Ursprung, wo man so sehr hofft, mit beiden Kindern gesund und lebend zurückzukommen.

Doch nun zu den stärkenden positiven Aspekten dieser Zeit.

Es gibt sie, die Engel in Weiß, welche mit ihrer Kompetenz, ihrem Wissen rückenstärkend sind. Welche mit warmherzigen Worten ins Innere treffen und einen hoffen lassen. All die feinfühligen Berührungen, die fremde Menschen den Babys zukommen lassen, damit sie gesunden und gedeihen.

Die psychologische Unterstützung im Klinikalltag, sie hat gut getan, sie war stärkend und aufbauend. All diese Menschen können einem nichts versprechen, aber sie geben Hoffnung, Zuversicht und Mut. Werkzeuge, um diesen Wahnsinn jeden Tag aufs Neue zu überleben. Und damit gaben sie unseren Zwillingen eine Mutter, welche sie mit ganzem Herzen lieben und willkommen heißen konnte. Ohne zu wissen für wie lange oder wie gut es ausgehen wird. Somit gelang es, eine gute Mutter-Kind-Bindung aufzubauen. Es ließ die Kinder gedeihen und wachsen.

Hervorheben möchte ich das intensive Nachnähren durch den Hautkontakt während des Kangarooings. Die vielen Stunden des innigen Kuschelns mit den Kindern auf der Brust. Zum Glück kann da sehr viel wieder gut werden, Stress abgebaut und Bindung aufgebaut werden. Nach und nach gelang es sogar, die Zwillinge voll zu stillen. Man darf sich nur nicht entmutigen lassen. Auf seine Fähigkeiten und die der Kinder vertrauen. Es war ein langer und mühevoller Weg, welcher sich zu gehen gelohnt hat.

Bald werden unsere Söhne 10 Jahre alt. So viel Zeit ist inzwischen vergangen. Manches ist immer noch, als wäre es erst jetzt gewesen. Diese Zeit ist prägender als man denkt.

Es gibt immer noch Momente, in denen man dieses hohe Stressaufkommen zu spüren bekommt. Aber sehr viele Wunden verheilen. Und das ist auch gut so!

Mit viel Geduld, unzähligen Therapien, Liebe und Zusammenhalt sind aus unseren Frühchen zwei tolle Buben herangewachsen. Allen unsicheren und schrecklichen Prognosen zum Trotz haben sie vieles aufgeholt und wer ist schon ganz perfekt? Nur noch einige helle Narben erinnern an diese Zeit.

Und ganz vergessen wollen wir sie nicht. Sie gehört zu unserer Lebenslinie genauso wie all die glücklichen, unbeschwerten Zeiten unseres Lebens dazu!

 

 


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