Ei-Rahmen für Bilder

Liebe die bleibt: Unser Weg als unsichtbare Eltern

von Dr. Veronica Falcone

Ich blicke mit Freude, aber auch mit Wehmut auf die vergangenen eineinhalb Jahre zurück – eine Zeit, in der viele neue Kapitel im Buch unserer Familiengeschichte geschrieben wurden.

Ich erinnere mich genau an das unbeschreibliche Glück und die tiefe Liebe, die wir empfanden, als wir erfuhren, dass wir unser erstes Kind erwarteten – so sehr ersehnt, so sehr gewünscht. Langsam wich die anfängliche Angst der Vorfreude. Doch immer wieder hatte ich diese leise Sorge: Was, wenn mein Baby es nicht schafft? Ich hatte so oft gehört, dass manche Babys ohne erkennbaren Grund kurz vor der Geburt sterben. Deshalb entschieden wir uns, die Geburt zwei Wochen vor dem errechneten Termin einzuleiten.

Es war ein heißer Sommer, doch alles war vorbereitet. Wir genossen die letzten Wochen zu zweit, richteten das Kinderzimmer für unseren kleinen Prinzen ein, klebten voller Freude die Tapete an die Wand, bauten den Kinderwagen zusammen und wuschen die winzigen Bodys mit speziellem Waschmittel für empfindliche Haut.

Dann, nur wenige Tage vor der Geburt, kam die schreckliche Nachricht: Dein Herz hat aufgehört zu schlagen und wirst nie wieder aufwachen…

Die ersten Wochen vergingen wie in einem Film, dessen Handlung mir verschwommen erscheint. Mein Herz war schwer, der Schmerz unbeschreiblich. Mein Mann war an meiner Seite, erschöpft und verzweifelt, genau wie ich. Nach einigen Wochen kehrte er zur Arbeit zurück – „Ihr könnt ja ein weiteres Kind bekommen.“„Sei stark für deine Frau.“ hörte er von anderen.

Ich blieb zu Hause, mein Körper noch gezeichnet von der Schwangerschaft, meine Brust bereit, unser wunderschönes Baby zu stillen… aber unser Zuhause war erfüllt von bedrückender Stille. Unsere Familie und Freunde unterstützten uns, brachten uns Essen, versuchten, uns nach draußen zu bewegen. Doch wir waren nur noch leere Hüllen, unsere Seelen waren mit Vittorio in den Himmel geflogen.

In meiner Wut riss ich die Tapete von den Wänden, packte den Kinderwagen wieder ein, ließ die frisch gewaschenen Babykleider verschwinden. Das Kinderzimmer wurde wieder zur Waschküche. Und doch, noch heute – neun Monate nach deiner Geburt – nennen wir diesen Raum Vittorios Zimmer

Nur wenige Wochen später begann der Rückbildungskurs für Mütter, die ihr Kind verloren haben. Ich war schockiert, wie viele Frauen daran teilnahmen. Einerseits war es erleichternd, nicht allein zu sein. Andererseits war es erschreckend, dass dieser Kurs jeden Monat voller neuer Frauen war.

Wie viele Familien verlieren ihr größtes Glück? Wie viele versinken in ihrer Trauer, ohne einen Kurs zu besuchen oder mit anderen zu sprechen, die den gleichen Schmerz empfinden? Wie viele quälen sich mit Schuldgefühlen, weil sie eine Schwangerschaft aufgrund einer schweren Erkrankung ihres Kindes beenden mussten, und glauben, sie hätten kein Recht zu trauern?

Die Frauen, die ich dort traf, waren Kämpferinnen. Sie weinten um ihr verlorenes Kind, doch sie kämpften auch darum, wieder aufzustehen. Denn Trauer bedeutet nicht, dass man nicht weiterleben kann. Und wenn wir eines Tages wieder über einen Witz lachen oder Lust auf Vanilleeis haben, heißt das nicht, dass wir unser Kind vergessen oder den Verlust „überwunden“ haben.

Ein solcher Schmerz vergeht nicht – wir lernen nur, mit ihm zu leben. An manchen Tagen ist es leichter, an anderen geht es einfach nur darum, den Tag zu überstehen.

Wir sind die unsichtbaren Eltern von Kindern, die niemand erleben durfte.

„Euer Traum, Eltern zu werden, wird irgendwann in Erfüllung gehen“
„Nein. Wir sind bereits Eltern.“

Wir haben ein Kind. Wir lieben es, auch wenn wir niemals sein Lächeln sehen, seine ersten Schritte begleiten oder neue Fotos machen können.

Die wenigen Bilder, die wir haben, sind die ersten und letzten zugleich. Wir werden seine kleine Hand nie wieder halten können. Aber die Liebe bleibt.

Niemand kann uns die Liebe zu unseren Sternenkindern nehmen. Ihr Leben hier auf Erden war nur ein kurzer Augenblick, doch ihr Recht, erinnert und gefeiert zu werden – an Weihnachten, am Geburtstag oder einfach dann, wenn uns danach ist – das werden wir als unsichtbare Eltern für immer verteidigen.

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