Eine Trennung bedeutet nicht automatisch das Ende von Konflikten. Für manche Eltern beginnen die Herausforderungen, wenn es um die gemeinsamen Kinder geht. Doch es gibt Wege, die zeigen, dass Elternschaft auch nach der Trennung gelingen kann.
Wie um Besitztümer wird manchmal verhandelt und gestritten, wenn es um Kontaktregelungen oder auch einfach nur um die Frage, wo das Kind künftig zur Schule gehen soll, geht. Mitten drinnen das Kind, das selten gefragt wird, was es sich eigentlich wünscht. Dabei würde die Antwort verblüffend einfach ausfallen: Kinder wollen beide Elternteile. Kinder wollen Eltern, die nicht schlecht übereinander reden, und ein Mindestmaß an Respekt an den Tag legen, wenn sie sich begegnen. Kinder wollen Eltern, auf die sie sich verlassen können und einen Alltag, in dem sie wissen, was als nächstes passiert.
Als Roland und Martina H. sich trennen, sind Emma und Lina 10 und 7 Jahre alt. Der Vater zieht aus, die Mädchen leben weiterhin bei der Mutter. Von Anfang an war klar, dass Roland H. seine Töchter nicht nur am Wochenende, sondern gerne öfter sehen möchte. Jeden Dienstag holt er sie deshalb von der Schule ab und verbringt den Nachmittag mit ihnen. An diesem Tag übernachten sie auch bei ihm. Am nächsten Tag bringt er sie in die Schule. „Ich wollte nie nur ein Wochenendpapa sein. Ich will einfach weiterhin am Leben meiner Kinder teilhaben, auch Hausübungen mit ihnen machen und sie an einem Schultag in der Früh wecken und mit ihnen frühstücken“, sagt er. Alle zwei Wochen verbringen sie darüber hinaus das Wochenende von Freitagmittag bis Montagfrüh bei ihm. Auch die Mutter der Kinder ist mit diesem Arrangement zufrieden. „Für mich ist es eine große Entlastung, auch während der Woche einen Nachmittag und Abend für mich zu haben. Mein Ex-Mann und ich versuchen im Sinne unserer Kinder einen respektvollen Umgang miteinander zu finden. Auch wenn unsere Beziehung in die Brüche gegangen ist, wollen wir beide weiterhin als Eltern für unsere Töchter da sein“, erzählt Martina H.
Kinder wollen sich auf ihre Eltern verlassen können
Nicht immer schaffen es getrennte Eltern-Paare so einen gemeinsamen Weg zu gehen. Aber selbst jene, die am liebsten nie mehr ein Wort mit dem/der Ex-Partner*in wechseln würden, können dazu betragen, dass ihre Kinder möglichst wenig unter der Scheidung leiden. Das Wichtigste für Kinder ist Konstanz und Verlässlichkeit. Wenn z.B. eine Kontaktregelung getroffen wurde, sollte diese auch eingehalten werden. Nichts ist schlimmer für ein Kind, als wenn es sich die ganze Woche auf den Papa/die Mama gefreut hat und diese/r eine Stunde vorher absagt. Genauso wichtig ist es, dass Mütter und Väter den Kontakt zum anderen Elternteil nicht nur zulassen, sondern fördern (sofern es nicht schwerwiegende Gründe gibt, die dagegen sprechen).
Um den Kontakt im Alltag zu halten, sind Handy, WhatsApp oder auch Mail für Kinder Möglichkeiten. Ohne großen Zeitverlust können sie dem jeweils anderen Elternteil etwas mitteilen oder ihn um Rat bitten. Es ist ganz natürlich, dass sich das Kind mit einem Anliegen eher an den einen und mit einem anderen Anliegen eher an den anderen Elternteil wendet. Wichtig ist aber, dass die Eltern das Recht des Kindes auf Privatsphäre achten und seine Kontakte zum anderen Elternteil nicht kontrollieren.
„Auch wenn wir uns sonst wirklich nichts mehr zu sagen haben, möchte ich, dass mein Sohn auch weiterhin regelmäßig Kontakt zu seinem Vater hat“, erzählt Daniela S. Deshalb hat Bernhard S. regelmäßig mit seinem zweijährigen Sohn Luca Kontakt, Julias übernachtet auch bei ihm. „Das war am Anfang eine ganz schöne Herausforderung für mich. Ich habe vor der Trennung nicht so viel alleinverantwortliche Zeit mit meinem Sohn verbracht und war am Anfang sehr unsicher, ob ich alles richtig mache. Aber inzwischen genieße ich diese Zeit unheimlich und freue mich jedes Mal, wenn ich ihn in meine Arme schließen kann. Ich sehe es als große Chance eine gute Beziehung zu ihm zu haben.“. Auch Lucas Mutter konnte sich am Anfang kaum von ihrem kleinen Sohn trennen, aber inzwischen weiß sie, dass ihr Ex-Mann seine Vaterrolle ernst nimmt. Auch wenn er manches anders macht als sie.
Empfehlungen für jenen Elternteil, der nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebt:
- Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es für Sie wichtig ist!
- Spontane Telefonate über alltägliche Begebenheiten stärken die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Kind. Eine lebendige Beziehung bedeutet Anteil am Alltäglichen zu haben, z.B. Hausaufgaben zu machen, das Kind vom Musikunterricht abzuholen oder mit seinen Freund*innen gemeinsam etwas zu unternehmen. Nicht nur die Anzahl der Stunden, sondern die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit macht eine tragfähige Beziehung aus!
- Die Zeit, in der Ihr Kind mit Ihnen zusammen ist, möchte es Sie als Mutter/Vater erleben. Es reicht nicht aus, Ihr Kind mit Geschenken und Aktivitäten zu überhäufen, Sie brauchen auch nicht immer Action anbieten.
- Ihr Kind wünscht sich einen regelmäßigen, sicheren, verlässlichen und persönlichen Kontakt zu Ihnen! Halten Sie sich an die Vereinbarungen, die Sie mit Ihrem Kind treffen und machen Sie keine Versprechungen, die Sie nicht einhalten können.
- Ihr Kind wünscht sich auch ausreichend Zeit nur mit Ihnen allein – ohne Ihre/n neue/n Partner*in oder Geschwister und es wünscht sich gemeinsame Unternehmungen.
- Ihr Kind soll sich auch bei Ihnen zu Hause fühlen. So soll es ein eigenes Bett und eine eigene Spiel- oder Arbeitsecke haben.
Empfehlungen für jenen Elternteil, der vorrangig mit dem Kind zusammenlebt:
- Zeigen Sie Ihrem Kind, dass es Ihnen wichtig ist und dass Sie sich freuen, wenn es zu seinem Vater/seiner Mutter geht! Achten Sie darauf, dass das verbale und nonverbale Verhalten übereinstimmt. Kinder spüren, wenn Sie etwas nicht ehrlich meinen.
- Lassen Sie Ihr Kind auch während der Woche Zeit mit seinem Vater/seiner Mutter verbringen, so erlebt Ihr Kind seinen Vater/seine Mutter nicht nur als „Sonntagspapa, -mama“, sondern einen Alltagsvater/-mutter, der/die sich z.B. auch um Hausaufgaben kümmert.
- Lassen Sie sich nicht irritieren, wenn Ihr Kind vor und nach der Zeit bei seinem Vater/seiner Mutter mit Gereiztheit, Aggressionen, oder auch mit Weinerlichkeit reagiert. Jeder Besuch beim Vater/bei der Mutter ist verbunden mit einer Trennung von Ihnen, nach jeder verbrachten Zeit mit dem Vater/der Mutter, muss sich das Kind auch wieder von ihm/ihr trennen. Und ein Kind braucht dafür Zeit, um diese Übergangssituationen gut zu bewältigen.
Empfehlungen für beide Elternteile:
- Übermitteln Sie Botschaften betreffend finanziellen Vereinbarungen, Urlaubsplänen, etc. an den anderen Elternteil immer direkt und nicht über Ihr Kind!
- Wenn möglich – reden Sie über wichtige Angelegenheiten, die Ihr Kind betreffen!
- Benutzen Sie Ihr Kind nicht, um Informationen über das Leben Ihres/Ihrer Ex-Partner*in zu bekommen, z.B. ob er/sie eine/n neue/n Partner*in hat, wohin er/sie auf Urlaub fährt oder welche Möbel in seiner/ihrer Wohnung stehen.
Trotz aller Empfehlungen gibt es keine Patentrezepte, wie sich am besten mit den Hürden und Herausforderungen umgehen lässt, die eine Trennung mit sich bringt. Wichtige Begleiter auf diesem Weg sind aber auf alle Fälle Toleranz, Humor und Gelassenheit in Bezug auf sich, den/die Ex-Partner*in und die gemeinsamen Kinder – auch wenn das nicht einfach ist und auch nicht immer sofort gelingt!