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Schulassoziierte Störungen – Schulangst, Schulverweigerung

von Prim. Dr. med. Christian Kienbacher

Elternbildung
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Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 14-19 % erkrankt jeder Mensch einmal in seinem Leben an einer Angsterkrankung, im Alter von 8 Jahren leidet jedes 10. Kind an einer Angsterkrankung. Sehr häufig kommen Ängste auch in Kombination mit Depression und Zwangsstörung vor. Unbehandelt haben Angsterkrankungen ein hohes Risiko zu chronifizieren, sodass die Betroffenen oft lebenslang ein eingeschränktes Leben führen. Menschen mit Suchterkrankungen und speziell mit Alkoholabhängigkeit litten oft im Vorfeld an einer unbehandelten Angsterkrankung.
Bei den Angststörungen bietet sich die Chance durch frühzeitige Diagnostik und Therapie den betroffenen Kindern- und Jugendlichen viel an persönlichem Leid zu ersparen. Traurigerweise gibt es in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgungsstruktur Österreichs nur eine geringe Anzahl an von den Gebietskrankenkassen finanzierten Fachärzten/innen, die in ihren Ordinationen von betroffen Kindern und ihren Familien niederschwellig kontaktiert werden können. Auch die Anzahl an fachspezifischen Ambulatorien und kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen in Krankenhäusern ist nur halb so groß wie in vergleichbaren europäischen Ländern und wird dem großen Bedarf alles andere als gerecht.
Jede Form der Angst und auch jede Form der Angsterkrankung manifestiert sich immer auf 3 Ebenen –  der der Emotion, der des Verhaltens und der des Körpers.

Kinder mit Angsterkrankungen fürchten sich vor der Peinlichkeit und der Bloßstellung. Oft ist ihre Angst so groß, dass sie den Eindruck haben die Kontrolle zu verlieren und verrückt zu werden und manchmal, wenn sie der angstauslösenden Situation nicht entkommen können, haben sie den Eindruck vor Angst sterben zu müssen.
Oft ist es Angst vor der Trennung von der unmittelbaren Bezugsperson, die speziell im Volksschulalter 2,8% der Kinder betrifft. Rationale Erklärungen und Beruhigungsversuche sind bei diesen Kindern wenig hilfreich. Oft schreiben Lehrer/innen und Klassenkameraden liebevolle, aufmunternde Briefe an das von der Schule absente Kind und sagen ihm, dass sie sich auf seine Wiederkehr freuen und es nichts zu befürchten hat. Die Angst und die Angstüberflutung dieser Kinder sind durch solche Interventionen jedoch nicht zu mildern. Oft haben sie eine riesige Erwartungsangst, das bedeutet, dass sie sich schon am Abend zuvor davor zu fürchten beginnen, was morgen in der Schule passiert und sie vermeiden dadurch den Schulbesuch. Längere Phasen der Schulabstinenz führen natürlich auch dazu, dass die Stimmungslage ins Depressive abgleitet und sie sehr oft auch durch Schlafstörungen und Albträume beeinträchtigt sind. Wenn diese Kinder sich überwinden und in die Schule gehen, wirken sie dort oft ruhelos, nervös und unkonzentriert. In einigen Fällen, wenn sie die Situation zu überfordern droht, imponieren sie auch reizbar oder wehren die sie beängstigende Situation durch Wutausbrüche ab. 
Die körperlichen Symptome der Angsterkrankung sind meist die ersten Symptome auf die die Eltern aufmerksam werden und die sie oft fälschlicherweise einer körperlichen Erkrankung zuordnen. Aber wie auch bei Erwachsenen geht auch bei Kindern Angst immer mit körperlichen Erscheinungen einher: so zeigen sie Symptome wie Herzklopfen, Herzrasen, Atembeschwerden, Beklemmungsgefühle und Brustschmerzen. Typischerweise beschreiben diese Kinder auch Symptome, die den ganzen Verdauungstrakt betreffen, von  Mundtrockenheit über Schluckbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen, sowie Bauchschmerz und Problemen beim Stuhlgang. In der angstauslösenden Situation zeigen die Kinder oft Schweißausbrüche, Erröten, Zittern, Schwächegefühl, Muskelverspannungen und Kopfschmerzen.
Die häufigste Angsterkrankung in der Kinder- und Jugendbevölkerung ist die phobische Störung des Kindes- und Jugendalters, sie tritt mit einer Häufigkeit von 5-6 %  auf. Diese spezifischen Phobien entstehen gewöhnlich in der Kindheit und können sich bis ins hohe Alter, wenn sie unbehandelt bleiben, fortsetzen. Die Betroffenen haben Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten, typischerweise kennen wir bei Kindern die Tierphobien, die Phobie vor spitzen Gegenständen (Aichmophobie), die Spritzenphobie, Blutphobie, Prüfungsangst, Schulangst, die Angst Lift zu fahren oder öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.
Eine weitere schulassoziierte Angst ist die emotionale Störung mit Trennungsangst. Sie tritt im Volksschulalter zu 2,8% und im jugendlichen Alter zu 0,8 % auf.

Es ist wichtig die verschiedenen Formen des schulverweigernden Verhaltens, also die Abwesenheit von der Schule, differentialdiagnostisch genau zu trennen, denn zwischen Schulangst, Schulphobie und Schulschwänzen bestehen sowohl von der Seite der Auslöser, als auch von der Seite der Therapie vollkommen unterschiedliche Herausforderungen.

1. Schulangst:Elternbildung

Die Schulangst ist eine auf den Lebensraum Schule gerichtete Angst und gehört für uns Kinder- und Jugendpsychiater/innen zur Gruppe der phobischen Störungen des Kindesalters. Sie betrifft sehr oft Kinder mit Lernschwächen wie Legasthenie, Dyskalkulie oder Teilleistungsstörungen, die sich somit in schulischen Überforderungssituationen befinden. Aus dieser Überforderung entwickelt sich ein Insuffizienzgefühl mit Leistungsversagen.
Diese Kinder zeigen nur mäßige körperliche Symptome und das Verhalten zwischen Eltern und Kindern ist ein unspezifisches. Bei der Schulangst hat also die Symptomatik ganz direkt mit den typischen Herausforderungen, die die Schule an ein Kind stellt, zu tun. Die erste Frage, die man sich bei Kindern mit Schulangst stellen muss ist, ob sie in der richtigen Schulform unterrichtet werden und welche weiterführenden Unterstützungen sie beim Lernen benötigen.

2. Schulphobie:Elternbildung

Hier hat die psychische Symptomatik nur indirekt mit den Herausforderungen des Lebensraums Schule zu tun. Hier werden Probleme, die zumeist in der Familie ihre Ursache haben, auf den Lebensraum Schule projiziert. Deshalb sprechen wir Kinder- und Jugendpsychiater/innen bei dieser Erkrankung auch von einer emotionalen Störung mit Trennungsangst, ihr liegt oft eine hohe Mutter-Kind-Symbiose zugrunde. Diese Kinder reagieren mit starken körperlichen Symptomen, manchmal besteht im Vorfeld auch eine körperliche Erkrankung beim Kind.
Die Betroffenen imponieren durch ein hohes Vermeidungsverhalten, das keinen direkten Bezug zur Schulsituation hat, da diese Kinder immer eine gute schulische Begabungsstruktur aufweisen. Im Zentrum der Trennungsangst steht die Angst vor der Trennung von der primären Bezugsperson. Die Verweigerung des Schulbesuches läuft hier auch immer mit Wissen der Eltern ab.
Im Unterschied zu schulängstlichen Kindern zeigen schulphobische Kinder eine gute schulische Leistungsfähigkeit, sie arbeiten auch oft gewissenhaft an schulischen Aufgaben eigenständig zu Hause, wenn sie nicht den Unterricht besuchen.
Ein ganz typisches Symptom der trennungsängstlichen Kinder ist die Angst vor dem Tod ihrer Bezugsperson. Diese Kinder wirken oft ängstlich besorgt um ihre Eltern und sind zumeist auch depressiv verstimmt. Die Familiensituation ist oft sehr typisch: wir sehen Konstellationen der Überbehütetheit mit zu viel an Verantwortungsabnahme durch die Eltern, oft auch traumatische Trennungserlebnisse im Vorfeld (z. B. durch elterliche Erkrankung oder Berufstätigkeit) und eine zu enge und unsichere Bindung der Kinder an ihre Bezugspersonen. Typischerweise beginnen Kinder mit Trennungsangst Schlafstörungen zu entwickeln und drängen oft darauf wieder im elterlichen Bett zu schlafen.

3. Schulschwänzen:Elternbildung

43 % der Schülerinnen und Schüler der 7.-10. Schulstufe gaben laut einer Studie des Bundesministeriums für Unterricht aus dem Jahr 2007 an, im letzten halben Jahr zumindest einmal die Schule geschwänzt zu haben. Zumeist sind die Gründe für das Fernbleiben von der Schule bei den befragten Personen eher lebensfroher Natur. So werden „Ausschlafen wollen“ (61 %) und  „was anderes vorgehabt“ (55 %) von den Schülern sehr oft genannt. Oft hat die Absenz vom Unterricht mit diesem selbst zu tun, weil er laut Angaben der Schüler „langweilig sei“ (51 %), man aus strategischen Gründen eine Schularbeit oder einen Test nicht mitschreiben wollte (46 %) oder weil man schlicht und ergreifend nicht die Hausaufgabe gemacht habe (22 %). Das Fernbleiben vom Unterricht hat nur in sehr geringem Ausmaß mit den Mitschülern zu tun. So gaben 8 % an die Schule zu schwänzen, weil sie von den Mitschülern gehänselt wurden, 4 % gaben an am Unterricht nicht teilzunehmen weil Gewaltandrohungen von anderen Schülern stattfänden. In 3 % der Fälle gaben die Jugendlichen an, dass sie für die Familie Geld verdienen, respektive arbeiten mussten.
Meistens dreht es sich beim Schulschwänzen um Unlustvermeidung, Abenteuerlust oder reine Bequemlichkeit. Aber es kann das Schule schwänzen Ausdruck einer Störung des Sozialverhaltens sein. Dies trifft zu bei Kindern und Jugendlichen mit fehlenden familiären Vorbildern und Gewalt und Scheidungen in Familien. Speziell sozioökonomisch benachteiligte Kinder tendieren dazu durch Schuleschwänzen auf ihre Problematik aufmerksam zu machen. 
In der Therapie ist es wichtig, ein sogenanntes multimodales Behandlungskonzept, also ein Behandlungskonzept mit verschiedenen Behandlungsfacetten zu etablieren. Hierzu gehört  an erster Stelle die Informationsvermittlung (Psychoedukation) über Angststörungen. Es ist wichtig für den Betroffenen zu erfahren, dass er mit dieser Problematik, sei es jetzt die Schulangst oder die Schulphobie, nicht alleine dasteht, sondern das viele Kinder und Jugendliche in seinem Alter davon betroffen sind. Wenn dieses Arbeitsbündnis zwischen Ärztin/Arzt auf der einen Seite und  Patient und Angehörigen auf der anderen Seite etabliert ist, wird es in weiterer Folge gelingen konstruktiv an der Symptomatik zu arbeiten.
Viele Psychotherapiemethoden haben sich mit kindlichen Angsterkrankungen auseinandergesetzt. Psychodynamische Psychotherapie fördert hier die Persönlichkeitsentwicklung, eine Systemische Therapie geht auf nicht gelöste Ablösungskonflikte und zu enge Eltern-Kind Bindungen ein und verhaltenstherapeutische Interventionen haben ihren Schwerpunkt und ihre Stärke im Trainieren von Fähigkeiten, die den Betroffenen wieder sicherer im Schulbesuch werden lassen.
Oft ist es auch notwendig eine Schulrücksprache zu halten und sich mit den Lehrern des Schülers auszutauschen.
Erst wenn all diese Interventionen keinen Erfolg zeigen, kann man nach sorgfältiger Abwägung eine medikamentöse Behandlung einleiten. Hier zeigen die Antidepressiva aus der Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer ein gutes Wirkprofil. Diese müssen aber über mehrere Monate/Jahre gegeben werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit in Akutsituationen, wenn der Betroffene vollkommen angstüberflutet ist, ihn mit einem Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine zu unterstützen. Weitere Einsatzgebiete für medikamentöse Behandlungsoptionen gibt es auch für Antidepressiva mit einer schlafanstoßenden Wirkung bei Schülerinnen und Schülern mit Einschlafproblemen im Rahmen der Angsterkrankung.
Es ist wichtig zu betonen, dass Angsterkrankungen im Kindes- und Jugendalter sehr häufige psychische Erkrankungen sind, die, wenn sie nicht rechtzeitig eine Behandlung erfahren, chronifizieren und oft auch in Suchterkrankungen übergehend können.
Daher ist es wesentlich bei schulängstlichen Kindern sehr früh Interventionen zu setzen – die Therapie der individuellen Lernschwäche, sei es eine Teilleistungsschwäche, Legasthenie oder Dyskalkulie, durch eine Förderung eines entsprechenden Lernstils und die Entscheidung ob die Schule die richtige für diesen entsprechenden Schüler ist.
Bei der Schulphobie ist es unumgänglich an der Trennungsangst und der oft zu engen Eltern-Kind Bindung zu arbeiten.
Allen Betroffenen von Schulangst, Schulphobie aber auch von Schulschwänzen (im Rahmen einer Störung des Sozialverhaltens) können effektive Therapien angeboten werden.
Leider bestehen in Österreich noch keine flächendeckenden Strukturen an niedergelassenen Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie mit Kassenverträgen, kinder- und jugendpsychiatrischen Ambulatorien und tagesklinischen und stationären Einrichtungen.

Literatur:
Jordan und Wendt (2005): Lexikon der Psychologie – Hundert Grundbegriffe
Hopf (2009): Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen
Essau (2003): Angst bei Kindern und Jugendlichen
Eggers, Fegert, Resch (2004): Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters
Knölker, Mattejat, Schulte-Markwort (2007): Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Steinhausen (2007): Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen
Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie
http://www.leitlinien.net/
ICD-10, WHO, 2007
www.dimdi.de


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