Vorerst möchte ich mich bedanken, dass wir dieses Thema beleuchten dürfen. Wer bin ich? Mein Name ist Beatrix Kohlhauser, ich bin Obfrau des österreichweit tätigen Vereins U are Special. Ich bin alleinerziehende Mutter eines schwerbehinderten Rollikindes und lebe in Wiener Neustadt.
Wir – alles selbst pflegende Angehörige – sind ehrenamtlich unterwegs, um andere Familien in derselben Situation zu helfen. Dies beinhaltet nicht nur eine Beratung, sondern wir BEGLEITEN unsere Mitglieder zum Arzt oder aufs Gericht, was immer gerade ansteht. Unsere „Kinder“ sind zwischen 18 Monate und 59 Jahre alt und haben unterschiedliche Behinderungen.
Ich möchte zuerst auf die Nachmittagsbetreuung eingehen, im Kindergarten war dies weniger ein Problem, wobei dies aber regional verschieden ist. Auffallend ist das Stadt-/Landgefälle. Das Angebot in den Städten ist durchwegs breit gefächert, je ländlicher die Gegend wird, umso schlechter sieht es mit einer Betreuung aus. Auch der Betreuungsschlüssel macht mir hier in Niederösterreich Sorgen, 15 Kinder, davon 5 mit einer Behinderung und nur 1 Stützkraft für diese.
In den Schulen zeigt sich da schon ein anderes Bild. Je nach Art der Behinderung kann man da Unterschiede erkennen. Je unauffälliger das Kind erscheint, umso leichter findet man einen Hortplatz. Leider sind diese nicht einheitlich geführt. Je nach Region und Schule übernimmt ein anderer Träger diese Aufgabe. Das führt dazu, dass zB. ein Autist leider keinen Platz bekommt, da er stört. Oder ein Epilepsie-Kind wird nicht angenommen, da keiner das Notfallsmedikament geben will/kann. Es mangelt an Einschulung oder am Willen dies zu zulassen und darauf einzugehen. Oft gibt es auch aufgrund des Personalmangels wenig Angebote. Da viele unserer Kinder mit einem Personalwechsel schlecht zurechtkommen, wäre es ideal, wenn die Betreuer am Vormittag dieselben wären wie nachmittags. Auch Praktika oder Zivildienste könnten angeboten werden um diesem Problem entgegen zu wirken. Vielleicht könnte man dem Personalmangel reduzieren, indem das Anforderungsprofil auf Herz, Hirn und Humor reduziert wird. Ich finde, dass Betreuer sowieso individuell eingeschult werden müssen, da jedes unserer Kinder anders ist, selbst bei gleicher Diagnose.
Wir haben auch bemerkt, dass sich der Druck der Eltern auf die Qualität der Betreuung positiv auswirkt. Eine bloße Aufbewahrungsstätte ist uns Eltern einfach zu wenig. Manchmal gewinnen wir auch den Eindruck es gäbe eine Triage der Behinderung. Gerade Eltern schwer behinderter Kinder fühlen sich oft vernachlässigt, da die Betreuung natürlich aufwändig ist und deswegen die Kinder abgelehnt werden. Auch finde ich es bedenklich, dass z.B. lautierende Kinder getrennt werden, da sie anscheinend stören. Dies sehe ich nicht als Integration an.
Sobald die Kids ausgeschult werden und in die Tagesstätten kommen, ist zwar der Stress mit der Überbrückung der Ferien weg, aber es zeigen sich andere Probleme. Die meisten schließen Freitag mittags, sodass sich die Eltern wiederum eine Betreuung suchen müssen, sollten sie einer Arbeit nachgehen. Arbeit und Betreuung ist ein eigenes Thema und oft schwer unter einen Hut zu bringen.
Wir bemühen uns auch laufend Ferienbetreuungen zu finden. Auch hier zeigt sich ein Stadt-/Landgefälle und vor allem ist das Ausmaß der Behinderung ein Problem. Kinder mit Epilepsie oder PEG Sonde usw fallen auch hier durch den Rost. Leider ist der Betreuungsschlüssel ein großes Problem, 1:1 Betreuung gibt es fast keine, weder in den Schulen, noch bei der Ferienbetreuung. Wir kennen einzelne Vereine, die sich da wirklich sehr engagieren. Vereinzelt findet man auch ein Angebot, leider ist dieses dann sehr schnell vergriffen, mit Glück zur richtigen Zeit am PC sitzend könnte es dann doch mal klappen.
Wir denken, dass hier den bestehenden Vereinen bessere Förderungen zugestanden werden sollten, sodass ein erweitertes Angebot möglich wäre. Abgesehen davon finde ich es bedenklich, wie teuer eine Woche Auszeit ist. Für ein gesundes Kind findet man zB Tenniscamps um 250 Euro, ich müsste für meine Tochter- sollten wir mit Glück einen Platz ergattern- bis zu 1200 Euro bezahlen, ist dies gerechtfertigt?
Ich denke es ist notwendig, dass Österreich da Geld in die Hand nimmt um Betreuung zu gewährleisten, denn wir Eltern ermöglichen es dem Staat zu sparen. Abgesehen von der emotionalen Seite, ja wir alle lieben unsere Kinder so wie sie sind, würden wir die Pflege hinwerfen, was würde dann passieren? Natürlich sind wir mit einem Selbstbehalt für eine zusätzliche Betreuung einverstanden, aber bitte NICHT pflegegeldabhängig, manche Mütter können nicht arbeiten gehen und werden so doppelt bestraft. Einer einkommensabhängigen Zuzahlung ist nichts entgegen zu setzen.
Würde es die einzelnen Vereine nicht geben, gäbe es gar keine Ferienbetreuung. Irgendwie schade, dass hier nichts vom Land oder vom Bund organisiert wird. Vielleicht wäre es aber auch möglich, das bestehende Kontingent zu erhöhen, indem weitere Förderungen ausgeschüttet werden. Es wäre auch ideal, würde die Freizeitassistenz ausgebaut werden, bitte für ALLE Kinder, auch mehrfach schwerbehinderte und auch unter 18 Jahren. Auch das Angebot der Familienhelfer sollte österreichweit dasselbe sein, jedes Kind sollte dieselben Chancen bekommen, egal wo es zuhause ist.
Ich lernte vor Kurzem eine Mutter mit einem 40-jährigen „Kind“ kennen, die mir erklärte, dass die Betreuung früher besser war als jetzt. Mich stimmte es traurig, dass wir einen Schritt retour gehen, sollte es nicht anders sein??
In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass es ab jetzt bergauf geht, denn eines weiß ich, wir pflegende Angehörige werden immer lauter und so treten wir immer mehr aus der Anonymität in die Öffentlichkeit.
Kommentare