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„Wie erzieht man Kinder richtig? Was die Erwachsenen über uns Kinder wissen sollten!“

von Mag. Dr. Judit Barth-Richtarz, MA

Elternbildung
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Am Nachhauseweg vom Kindergarten kommen Frau T und ihr fünfjähriger Sohn Matthias regelmäßig bei einem Geschäft vorbei, in dem Frau T manchmal noch etwas einkauft. Bei dieser Gelegenheit bekommt Matthias ein Getränk. Frau T muss aber nicht jeden Tag einkaufen und möchte ihm aus Kostengründen auch nicht jeden Tag ein Getränk kaufen. Manchmal möchte sie einfach am Geschäft vorbei nach Hause gehen. Matthias möchte das aber nicht: die sich bietende Gelegenheit nutzend beginnt er jedes Mal schon vor dem Geschäft Frau T zu bedrängen, ihm das Getränk zu kaufen. Willigt sie nicht ein, steigert er sein Drängen und Betteln, das schließlich in wütendes Schreien und Schimpfen umschlägt. Weit hörbar schreit er: „Du bist die böseste Mama der Welt!“ und beginnt sie zu hauen und nach ihr zu treten. Frau T versucht dann, seine Angriffe zu übergehen und ihn mit dem naheliegenden Spielplatz abzulenken. Das Ablenken gelingt oft aber nicht, Matthias schreit und quengelt weiter. Frau T muss ihn nach Hause schleifen und kommt völlig verschwitzt zu Hause an. Ihr Ärger zieht sich über den ganzen Nachmittag.

Was kann Frau T tun?

Lösungsweg 1: Frau T könnte Matthias die Situation in einer ruhigen Minute erklären und auf seine Einsicht hoffen. Beim nächsten Mal könnte sie ihn etwa in der Art erinnern: „Wir haben uns doch ausgemacht, dass ich dir nicht jedes Mal ein Getränk kaufen kann, und dass du deswegen nicht wütend sein musst!“. Lösungsweg 2: Sie könnte umgekehrt rigoros das Getränk ein für alle Mal verbieten und hoffen, dass er sich seinen Wunsch mit der Zeit abgewöhnt. Lösungsweg 3: Sie könnte auch einen anderen Nachhauseweg wählen, die Einkäufe ohne Matthias erledigen, um so zu vermeiden, dass sie beide in diese Situation geraten.  Vermutlich sind alle drei Lösungen für Frau T (und auch Matthias) unbefriedigend und die derzeitige Version, nämlich Streit und Kampf bis nach Hause, ist es sowieso.

Die Hoffnung, Matthias könnte Einsicht haben und von sich aus verzichten (Lösungsweg 1), kann sich gar nicht erfüllen, da ihr völlig falsche Vorstellungen über kindliche Bedürfnisse und ihre Fähigkeit zu verzichten zu Grunde liegen. Kindliche Bedürfnisse und Impulse sind ungemein drängend und unaufschiebbar. Kinder sind im Wünschen und Wollen viel leidenschaftlicher als wir Erwachsene. Bis zumindest ins 6. Lebensjahr hinein fällt ihnen jeder Verzicht sehr schwer. Ein Sich-Zurücknehmen in den eigenen Wünschen und Bedürfnissen aufgrund der Rücksichtnahme auf andere kann sogar eine zu frühe (ungesunde) Anpassungsleistung darstellen und zu einer Einbuße an Lebendigkeit und Lebensfreude führen.

Das rigorose Verbot (Lösungsweg 2) wiederum wird Matthias vermutlich als willkürliche Aggression seiner Mutter gegen ihn erleben und auch Frau T wird sich in dieser Rolle nicht wohl fühlen. Schließlich ist es auch nicht möglich, alle Situationen zu vermeiden (Lösungsweg 3), die potentiell zu Konflikten mit Kindern führen können. Aber was könnte sie dann tun?

Sehen wir uns zunächst einmal an, warum es Frau T so schwerfällt, diesen Konflikt mit ihrem Sohn auszutragen, was dabei in ihr vorgeht: Es wird spürbar, dass die Forderungen und Wünsche von Matthias rasch zwei Gefühle bei Frau T auslösen, nämlich Empörung (über seine Maßlosigkeit, Respektlosigkeit, Aggressivität) und Hilflosigkeit: Wie soll sie seinen Forderungen und Aggressionen begegnen? Die Empörung bzw. Wut kann daher resultieren, dass sie annimmt, er tue ihr das alles zu Fleiß an (aufgrund ihrer falschen Vorstellungen über kindliche Bedürfnisse). Es gibt aber noch einen zweiten Grund, warum wir als Eltern immer wieder in Konflikten mit unseren Kindern selbst in große Wut geraten, und der uns blockiert, in einer freundlichen, aber bestimmten Weise Grenzen zu setzen bzw. Wünsche der Kinder nicht zu erfüllen: unsere eigenen Schuldgefühle. Das Gefühl, eine versagende oder zumutende Mutter zu sein, ein Vater zu sein, der von den Kindern gerade nicht geliebt wird, weil er etwas verbietet oder sie zurechtweist, löst bei Eltern oftmals enorme Schuldgefühle und Ängste aus, dass dies die Liebe und Verbindung zwischen den Kindern und uns zerstören könnte. Diese Schuldgefühle und Ängste können wir schwer ertragen, deswegen hätten wir gerne, dass wir als Eltern gar nicht in die Situation kommen müssen, unsere Kinder zurecht zuweisen, ihnen Grenzen zu setzen etc.. Wir würden uns wünschen, dass die Kinder von sich aus ihr Verhalten so steuern, dass wir nicht eingreifen müssen. Leider tun dies durchschnittlich lebendige Kinder meist nicht und so können unsere Schuldgefühle und Ängste in Ärger und Empörung dem Kind gegenüber umschlagen: Das Kind ist schuld an meinen unangenehmen Gefühlen! Wäre Matthias nicht so fordernd, müsste ich seine Forderungen nicht zurückweisen! Würde Matthias nicht dauernd mit seinem Bruder streiten, müsste ich nicht immer dazwischen fahren etc….!

Die Haltung der Verantworteten SchuldElternbildung

In der Haltung der verantworteten Schuld erlebe ich diese Situationen genau konträr: Nicht das Kind tut mir etwas an – in und mit diesem Konflikt. Das Kind ist wie ein Kind ist! Sondern ich tue dem Kind etwas an. Und dass ich das tue, kann ich vor mir selbst und vor dem Kind voll und ganz verantworten. Die Fähigkeit zur verantworteten Schuld bedeutet, dass ich akzeptiere, dass ich als Mutter, als Vater, als PädagogIn, ,… nicht darum herum komme, immer wieder Bedürfnisse meines Kindes zu frustrieren und demnach vom Kind auch immer wieder als „böse“, „gemein“, versagend erlebt werde. Ich kann diese Frustration des Kindes, die Forderung oder Grenzsetzung gegenüber dem Kind aber mit gutem Gewissen verantworten, weil ich weiß, dass sie notwendig ist, weil es in der Situation nicht anders geht, oder um das Kind oder andere vor Gefahr zu schützen, um mich und das Kind vor meiner eigenen Überforderung zu schützen, oder um die längerfristige Entwicklung des Kindes positiv zu beeinflussen, indem ich es z.B. an soziale Normen heranführe.

Verantwortete Schuld heißt, dass ich nicht das Kind als Verursacher des Konflikts erlebe, sondern mich als Erwachsene, weil ich das normale, altersadäquate und in diesem Sinn legitime Bedürfnis des Kindes frustriere. Ich bin also schuld an der Frustration des Kindes, weil ich ihm das Ausleben eines Bedürfnisses untersage, ja untersagen muss, oder ihm einen im Augenblick großen Wunsch nicht erfülle.

  • In dieser Haltung verstehe ich aber, dass das Kind es anders will oder dass es so fühlt wie es jetzt fühlt. Ich bin ihm nicht böse für seinen Wunsch oder Impuls.
  • Das bedeutet aber auch, dass ich nachvollziehen kann, dass das Kind die Grenzsetzung nicht ohne Protest hinnehmen wird und zumindest eine zeitlang auf mich böse sein wird.
  • Das kann ich aushalten, weil ich weiß, dass diese Frustration für das Kind zwar in hohem Ausmaß unlustvoll ist, aber seine gesunde Entwicklung dadurch nicht gefährdet
  • Ich erwarte nicht, dass das Kind die Grenze einsieht, von sich aus auf seine Bedürfnisse verzichtet, sondern sehe es als meine Aufgabe als Elternteil bzw. PädagogIn, die Grenze einzufordern, aber dem Kind gleichzeitig dabei zu helfen, die dabei entstehenden Gefühle (Frustration, Ärger, Wut) zu bewältigen.
  • Ich werde also dem Kind innerlich zugewandt bleiben und es wird mir nicht allzu schwerfallen, mir zu überlegen, wie ich dem Kind dabei helfen kann, den Verzicht oder die Enttäuschung auszuhalten; ob es etwas gibt, was ersatzweise Freude machen könnte; oder wie das Kind seinem Ärger darüber Luft machen kann.

Die Haltung der Verantworteten Schuld ist keine Ausrede für restriktives Erziehungsverhalten!Elternbildung

Wichtig ist, eine Grenze, die notwendig ist, (ohne schlechtes Gewissen) zu setzen, aber dabei mitzubedenken, dass das Einhalten der Grenze, der Verzicht auf sein momentanes Bedürfnis für das Kind „emotionale Schwerstarbeit“ ist! Ich muss dem Kind also helfen, mit seinen Gefühlen der Frustration, Enttäuschung und der Wut fertig zu werden, indem ich dem Kind signalisiere, dass ich es verstehe, seine Gefühle in Worte fasse, es tröste, Kompromisse eingehe, Alternativen in Aussicht stelle usw…

Das Bedeutsame an der Haltung der Verantworteten Schuld ist also die Gleichzeitigkeit a) des Wissens um die eigene Schuld (an der aktuellen Enttäuschung des Kindes) und b) des Wissens darum, diese Enttäuschung gegenüber dem Kind verantworten zu können.

  • Erkenne ich nämlich zwar meine Schuld an der Enttäuschung des Kindes an, kann diese aber vor mir selbst nicht verantworten, werde ich in Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen versinken und Grenzen zu weit bzw. zu spät ziehen und mich – wie die Mutter von Matthias -damit überfordern.
  • Habe ich hingegen kein Problem damit, dem Kind Grenzen zu setzen, spüre aber die Frustration und Enttäuschung des Kindes dabei nicht (bzw. lasse ich sie nicht gelten), wird das Kind die Grenzsetzung als Aggression meinerseits erleben und daraus auch nichts lernen können.

So spreche ich mit Frau T darüber, dass hier zwei völlig legitime Bedürfnisse aufeinanderprallen: der Wunsch von Matthias, immer ein Getränk zu bekommen, und das Bedürfnis der Mutter, ihm nicht jedes Mal eines zu kaufen. Es handelt sich dabei um ein Alltagsbedürfnis von Matthias und es tut seiner Liebe zu ihr keinen Abbruch, wenn sie ihm diesen Wunsch nicht jedes Mal erfüllt, ganz im Gegenteil: Wenn sie ihm den Wunsch erfüllt, um den Konflikt zu vermeiden, wird sie ihm innerlich böse sein, weil er sie in der Erziehung versagen lässt. Bei der Mutter wird sich ein Gefühl der Wut und Enttäuschung ansammeln und Matthias wird zunehmend erleben, dass sie mit ihm unzufrieden oder von ihm enttäuscht ist. Wenn Frau T aber gleichzeitig spüren kann, dass ihm der Verzicht äußerst schwerfällt und heftige innere Gefühle auslöst, wird sie verstehen, dass er in dieser Situation ihre Hilfe braucht, seine Frustration und Wut zu verarbeiten. Wenn sie ihn dann tröstet wird Matthias spüren, dass die Mama ihn nicht böse findet, dass sie seinen Wunsch nicht böse findet, und es ihr leidtut, dass sie ihn nicht erfüllen kann.

Alltagsbedürfnisse sind momentane Wünsche und Bedürfnisse von Kindern. Sie sind eine Sache des Augenblicks. Die Frustration der Alltagsbedürfnisse (ab und zu) schadet der Entwicklung nicht. Geliebt, gemocht, geachtet, wahrgenommen, ernst genommen, respektiert zu werden, meine Bedürfnisse spüren zu dürfen, auch wenn ich sie nicht immer ausleben kann, sind hingegen Entwicklungsbedürfnisse, die befriedigt werden, damit sich das Kind seelisch gesund entwickeln kann. Dies ist aber eine Frage der längerfristigen Gestaltung der Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind.

Was Kinder sagen, was sie von ihren Eltern brauchenElternbildung

Diese Frage haben wir an der Fachhochschule Campus Wien im Rahmen eines Projektes 10jährigen Volksschulkindern gestellt. Es hat sich dabei gezeigt, dass Kinder sehr gut zwischen Entwicklungs- und Alltagsbedürfnissen unterscheiden können! In fast allen Antworten, was Kinder von ihren Eltern brauchen, um glücklich zu sein und gut aufwachsen zu können, benennen die Kinder Entwicklungsbedürfnisse:

  • Gut versorgt werden: dass jemand da ist, der mir hilft, der mich unterstützt, dass ich getröstet werde, wenn ich in Not bin.
  • Als eigene Person wahrgenommen werden: dass meine Gedanken, Ideen, Impulse nicht einfach abgetan werden, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung damit erfolgt, auch wenn meine Eltern meinen Wünschen und Impulsen nicht immer nachgeben können.
  • Anerkennung bekommen: dass ich gespiegelt bekomme, dass ich etwas kann.
  • Respektieren meines Bedürfnisses nach Spielen, nach Pause und nach Kontakt mit anderen
  • Halt bei den Eltern erfahren: dass sie fest und sicher sind, dass ich mich auf sie verlassen kann, dass sie mich beschützen, dass sie dies aber maßvoll und gerecht tun und die Erziehung nicht dazu benützen, ihre schlechte Stimmung an mir auszulassen.
  • Eltern, die für ihr Handeln Verantwortung übernehmen: und nicht den Kindern die Verantwortung zuschieben oder ihnen Schuldgefühle machen.
  • Eltern, die Freude an mir haben: dass es jemand gibt, für den es sehr gut ist, dass ich am Leben bin!

Weitere Information zum Thema sowie zu Erziehungsberatung: www.app-wien.at

Literatur:

Figdor, Helmuth (2007): Wieviel Erziehung braucht der Mensch? In: Figdor, Helmuth: Praxis der psychoanalytischen Padagogik II. Vorträge und Aufsätze. Psychosozial-Verlag, Gießen, 17 – 56.

Barth-Richtarz, J. (2012): Gemeinsame Elternschaft nach der Scheidung. Auswirkungen der gemeinsamen und alleinigen Obsorge für die Entwicklungsbedingungen der Kinder. Springer VS: Wiesbaden.


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